I.6 - Wie werden Verschwörungstheorien verbreitet?

Verschwörungstheorien verbreiten sich heute primär über das Internet und werden in der Regel von Menschen weitergegeben, die damit aus ihrer Sicht „Aufklärung“ betreiben. Dabei kann das Ziel ebenso darin bestehen, möglichst viele Leute zu erreichen wie auch darin, nahestehende Menschen und eigene soziale Kontakte zu überzeugen. Nicht selten geht das Teilen mit einem hohen Sendungsbewusstsein einher, welches von der Wichtigkeit der eigenen Tätigkeit befeuert wird.

Schon seit langem sind Verschwörungstheorien darüber hinaus jedoch auch beliebte Bausteine von Kulturgütern wie Filmen oder Büchern. Dabei besteht das Ziel nicht unbedingt darin, eine Theorie als plausibel zu verbreiten, meist wird die mythologische oder mystische Gehalt der Theorie als narrative Struktur oder aus rein ästhetischer Sicht gewählt.

Elisabeth Fast ist Kulturwissenschaftlerin und beschäftigt sich als Referentin bei der Amadeu Antonio Stiftung vor allem mit politischem Extremismus und politischer Bildung.

Internet

Gerade über das Internet und seine sozialen Medien sowie über Messenger-Apps wie Telegram werden in kurzen Videos und Posts Verschwörungstheorien rasant verbreitet. Wichtig dabei: in diesen Posts wird stets eine Gruppe oder auch einzelne Personen als Verursacher sozialer Ungerechtigkeit oder politischer Unterdrückung markiert, ohne dass dies stimmen muss. In den meisten Fällen verrät die verwendete Sprache die Intention hinter solchen Posts und Messages. Signalwörter bzw. Wortgruppen können sein: 

  • Tiefer Staat/Deep State
  • politische Klasse
  • die Mächtigen
  • Aufwachen
  • rote Pille/red pill (oder "red pilling" als Verb)
  • Bilderberg-Gruppe/Bilderberger
  • Globalisten
  • Rothschild
  • Hochfinanz
  • Freimaurer
  • NWO/New World Order, Neue Weltordnung oder Adrenochrom

Eine wichtige Rolle spielen zudem sogenannte Imageboards. Das sind online-Foren, auf denen sich Nutzer weniger mit Texten sondern mit Memes, Sharepics und animierten Bilder austauschen. Das berühmteste Beispiel hierfür ist 4Chan, auf dem 2017 QAnon weite und schnelle Verbreitung gefunden hat. Auch Youtube ist ein sehr beliebter Verbreitungskanal.

Verschwörungstheorien in der Popkultur

Filme und TV-Serien wie Matrix, Illuminati, Der DaVinci-Code, 23, Contagion, Black Mirror oder Akte-X bedienen sich in ihrer Handlung zahlreicher Theorien über Verschwörungen.

Als Stilelement und Handlungsstrang werden Verschwörungstheorien zunehmend im Deutschrap / HipHop sichtbar. Beliebte Rapper und Künstler machten in der Vergangenheit weniger durch musikalische Erfolge auf sich aufmerksam, als durch die Verbreitung von Videos, in denen verschwörungstheoretische Botschaften und Inhalte geteilt werden. Ob als Stilmittel der Provokation genutzt oder in Form von Ironie – problematisch ist, dass Rapper gerade für ihre Fans Identifikationsfiguren mit großer Reichweite sind. Dabei ist genau zu unterscheiden: zwischen Künstlern, die bewusst Grenzen des Sagbaren verschieben und Künstlern, die sich ernsthaft mit sozialen Themen beschäftigen.

Deutschrap / Hiphop greift unter anderem Themen wie soziale Ungerechtigkeiten auf. Gerade Menschen, denen gefühlt oder objektiv Ungerechtigkeiten widerfahren sind oder die Diskriminierungserfahrungen machen mussten, können sich so von Verschwörungstheorien angezogen fühlen. Ein Publikum, das erst noch einüben muss, wie man Quellen hinterfragt und überprüft, ist für verschwörungstheorietische Erzählungen und Narrative leicht zu sensibilisieren.

  • Butter, Michael: Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien. Berlin, 2018.
  • Comparative Analysis of Conspiracy Theories: Leitfaden Verschwörungstheorien. European Cooperation in Science and Technology, 2020. Online verfügbar als PDF.
  • Dietrich, Kirsten: Sinnsuche zwischen Gut und Böse. Dradio Kultur, 2020. Online verfügbar bei Dradio.
  • Hepfer, Karl: Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft. Bielefeld, 2015.
  • Peitz, Dirk: "Alles ist so, wie Du denkst". Interview mit Michael Butter zu Verschwörungstheorien und dem Attentat in Hanau. Hamburg, 2020. Online verfügbar bei der ZEIT.