Die politische Kultur bezeichnet die Gesamtverteilung von Einstellungen, Erwartungen und Teilhabemustern der Menschen gegenüber Staat, Demokratie und Extremismus. Diese für Sachsen zu betrachten und zu diskutieren ist nicht erst seit den jüngsten Ereignissen in Chemnitz nötig. Schon seit einigen Jahren ist der überregionale öffentliche Ruf Sachsens aufgrund vergangener fremdenfeindlicher Ereignisse spürbar beschädigt. Der "Spiegel" schreibt vom "Problemland Sachsen" und der "Stern" bezeichnete Sachsen bereits vor zwei Jahren als "Trauerspiel" und "dunkelstes Bundesland".

Der größere Hintergrund wird dann meist so dargestellt: Der weiterhin Geltung beanspruchende westlich-freiheitlich-liberal-demokratische Zeitgeist ist nicht nur über islamischen Fundamentalismus und Terror einerseits sowie über antiliberale politische Entwicklungen in den USA, Ungarn, Polen, Österreich und anderswo andererseits schockiert, sondern ebenso über die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, wo Sachsen oft an erster Stelle rangiert. All diesen Entwicklungen ist aber eines gemein: Die Akteure versuchen jeweils auf ihre Art, die vermeintlich "guten alten Zeiten" wiederherzustellen und sich somit in einem "kulturellen Verteidigungskampf" gegen die Nebenwirkungen der Globalisierung zu stemmen. Die Globalisierung bringt nicht nur den globalen Austausch von Rohstoffen, Gütern und Geld mit sich, sondern eben auch einen zunehmenden "Austausch" von Menschen durch verstärkte globale Migrationsströme (teils aufgrund von Hunger und Bürgerkriegsflucht, teils aufgrund der durch die neuen Technologien für alle sichtbaren Aussichten auf ein besseres Leben, z.B. in Europa: allesamt keine illegitimen Gründe).

Wo liberal-tolerantes Denken die Unumkehrbarkeit dieser Entwicklung erkennt, sich auf die neue Wirklichkeit einlässt und Probleme durch gelingende Integration aufzulösen versucht, wollen andere Zeitgenossen diese Veränderungen partout verhindern, wobei manchen jedes Mittel recht zu sein scheint. Genau hier setzt der nächste liberal-demokratische Schock ein: Gerade in Zeiten von Krisen und Veränderungen zeigt sich nämlich, wie tief eigentlich die Grundwerte von Demokratie, Liberalität, Menschenwürde und Toleranz in einer Gesellschaft verwurzelt sind. Viele globalisierungsoffene Bildungsbürger sind nun tief enttäuscht und frustriert, weil sie geglaubt hatten, die Gesellschaft in ihrer Breite wäre demokratisch "schon weiter". Dabei hatte sich in weniger problematischen politischen und wirtschaftlichen "Schönwetterzeiten" lediglich nicht offen gezeigt, welche wenig liberal-demokratische politische Kultur offenbar tatsächlich "unter der Oberfläche schlummert": Soweit der erste ungesicherte mediale Gesamteindruck.

Aber: Erst die Betrachtung der empirischen Daten zu den Indikatoren, mit denen das Konzept „politische Kultur“ gemessen wird, erlaubt belastbare Aussagen über den mehr oder weniger demokratischen Charakter einer Gesellschaft. Dieser kann sich zudem im Zeitverlauf wandeln, weswegen Zeitreihendaten – sowie zusätzlich Vergleiche mit den Daten zu anderen Bundesländern – die Aussagekraft empirischer Befunde noch erhöhen würden.

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