Drittes Kapitel: Tschechoslowakei. Die Samtene Revolution

Ähnlich wie in der DDR gab es auch in der ČSSR 1989 weder eine große, organisierte Oppositionsbewegung wie in Polen, noch einen einflussreichen Reformflügel wie in den Staatsparteien der Sowjetunion, Polens oder Ungarns. Nach der bitteren Erfahrung des Prager Frühlings, als innere Reformversuche von den sozialistischen „Bruderstaaten“ zerschlagen wurden, glaubte kaum einer mehr an politischen Wandel.

Die sogenannte „Normalisierung“ versprach den Bürgern der ČSSR eine Reduzierung sozialistischer Mobilisierung und Propaganda sowie verstärkte Bemühungen der staatlichen Planwirtschaft, den wachsenden Konsumbedürfnissen der Bevölkerung nach Autos, Unterhaltungselektronik und modernem Wohnraum zu entsprechen. Durch Auslandsverschuldung, Misswirtschaft und wachsende Konkurrenz auf dem Weltmarkt war die staatliche Planwirtschaft jedoch bald immer weniger in der Lage, diese Versprechungen zu erfüllen.

Der mächtigste Mann im Staat hieß Gustáv Husák, der 1968 aufgrund aktiver Unterstützung der Niederschlagung des Prager Frühlings zum Generalsekretär und Staatspräsident befördert wurde. Der Erfinder der „Normalisierung“ war ebenso wie Erich Honecker strikt gegen eine teilweise Privatisierung der Wirtschaft. Wie beim ostdeutschen Nachbarn verlor die Führungsriege sowohl den Kontakt zu seiner zunehmend unzufriedenen Bevölkerung, als auch den Anschluss an den Wandel, den die Führungen der Sowjetunion, Polens und Ungarns anstießen oder mitzugestalten versuchten.

Rufe nach Reformen, die von unzufriedenen Studentendemonstrationen ausgingen, beantworteten Polizei und Sicherheitsdienst am 17. November 1989 in Prag mit brutaler Gewalt. Gerüchte, wonach ein Student namens Martin Šmid zum Tode gekommen sei, erinnerte die Tschechen an den von den Nazis 1939 ermordeten protestierenden Studenten Jan Opletal und an den Studenten Jan Palach, der sich aus Protest gegen die Invasion 1968 selbst angezündet hatte. Die Ausrufung des Generalstreiks durch Studierende und massiver friedlicher Protest auf der Straße, der durch Rasseln mit Schlüsselbunden symbolisch das Ende der sozialistischen Ägide einläuten sollte, brachte die isolierte Regierung innerhalb von zehn Tagen zur Aufgabe. Der international renommierte Dramatiker und Dissident Václav Havel, der zum Wortführer der „Samtenen Revolution“ avanciert war, wurde noch im gleichen Jahr Staatspräsident.

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