Zweites Kapitel: DDR. Die Friedliche Revolution

Im Oktober 1989 beging die DDR ihren vierzigsten Geburtstag mit Militärparade und hochrangigen Gästen aus dem befreundeten Ausland. Michail Gorbatschow, faktisch Regierungschef der Sowjetunion, wurde mit spontanen Sprechchören gefeiert. Denn er stand mit Glasnost und Perestrojka für Reformen, denen sich die DDR-Führung hartnäckig verweigerte und sich damit zunehmend im sozialistischen Lager isolierte. Die Bürger der DDR verfolgten die westdeutsche Berichterstattung über den Wandel in der Sowjetunion, Ungarn und Polen. Das „Westfernsehen“ lieferte auch den ständigen Vergleich mit den Freiheiten und besseren Lebensbedingungen in der Bundesrepublik, die den eingereisten DDR-Bürgern automatisch die Staatsbürgerschaft gewährte.

Seit Mai 1989 baute Ungarn, wohin Ostdeutsche frei reisen durften, Kontrollen an der Grenze zu Österreich ab und ermöglichte so Tausenden die Ausreise in den Westen. Auch über den freien Personenverkehr in die Tschechoslowakei konnte viele Ostdeutsche im Sommer 89 „rübermachen“. Die tschechoslowakische Polizei verhinderte nicht länger den Zugang zum bundesdeutschen Botschaft in Prag und deren Außenministerium konnte auf internationalem Parkett die Ausreise in die BRD mittels Sonderzügen von Prag über Dresden ins fränkische Hof erreichen. Der Ansturm Ausreisewilliger auf den Dresdner Hauptbahnhof und der massive Polizeieinsatz produzierte Livebilder von einem Staat, der seine Bürger zu Flüchtlingen machte und deren Anliegen nicht mit Gesprächsbereitschaft, sondern allein mit Repression begegnete.

Der Druck auf die DDR-Regierung nahm im Herbst 1989 stetig zu, als sich den wenigen Teilnehmern der bereits länger bestehenden Montagsdemonstrationen im Anschluss an das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche zehntausende Menschen anschlossen. Für den 9. Oktober 1989 hatte Stasi-Chef Erich Mielke die Niederschlagung der Proteste nach dem Vorbild Pekings vorbereitet, der direkte Schießbefehl wurde jedoch nicht erteilt. In den folgenden Wochen mobilisierten die Demonstrationen Millionen von DDR-Bürgern, die mit den skandierten Parolen „Wir sind das Volk“ und „Wir bleiben hier“ deutlich machten, dass die Ausreise Unzufriedener nicht länger die Lösung sein konnte. Vielmehr sollte die Regierung gehen.

Am 18. Oktober 1989 trat Erich Honecker zurück, am 9. November 1989 wurden die Grenzübergänge nach West-Berlin geöffnet. Im eigenen staatsozialistischen Lager isoliert, ohne einen Reformflügel innerhalb der Partei, der eine Transformation glaubwürdig vertreten könnte, finanziell am Abgrund und der Sogwirkung des mächtigen Nachbarn BRD ausgesetzt, hielt sich das Regime nicht länger als bis zu den ersten freien und zugleich letzten Wahlen zur Volkskammer im März 1990.

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