Auf der internationalen Ebene stellt die EU eine einzigartige Form eines Zusammenschlusses von Staaten dar, die sich als Gemeinschaft eigener Art zwischen den beiden Polen „Bundesstaat“ und „Staatenbund“ (= internationale Organisation) befindet. Sie ist kein Bundesstaat, in dem die Mitgliedsländer ihre nationalstaatliche Souveränität weitgehend verlören, zugleich aber mehr als eine internationale Organisation, weil die Mitgliedstaaten wesentliche Teile ihrer Souveränität in gemeinsamen Organen zusammengeführt haben. Somit ist die EU zugleich ein supranationales (d.h. mit einer gemeinschaftlichen Souveräntiät ausgestattetes) und intergouvernementales (d.h. auf Zusammenarbeit der nationalen Regierungen basierendes) politisches System völlig eigener Prägung. 

Die Supranationalität der EU lässt sich darin erkennen, dass die EU selbständig Rechtsverordnungen erlassen kann, die für jeden Bürger und für jede Bürgerin gelten. Die EU hat somit als supranationale Organisation in manchen Bereichen die Souveränitätsrechte des Nationalstaates übernommen und ist in der Lage, unmittelbar als Legislative Recht zu setzen. 

Diese Möglichkeit gilt jedoch bei weitem nicht für alle Politikbereiche und Institutionen. Die EU umfasst heute teils überstaatliche (=supranationale), teils zwischenstaatliche (=intergouvernementale) Institutionen und Politikbereiche. Beispiele für diese zwischenstaatlich geregelten Felder der Zusammenarbeit sind die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Polizeiliche und juristische Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS). 

Es lassen sich weiterhin insgesamt sechs allgemeine Prinzipien identifizieren, nach denen die EU funktioniert: Subsidiarität, Supranationalität, Solidarität, Rechtstreue, Bereitschaft zum Kompromiss, Degressive Proportionalität. Im Folgenden werden diese sechs Prinzipien genauer erklärt. 

Subsidiarität

Unter dem Begriff Subsidiarität versteht man das Prinzip, dass die übergeordnete Gemeinschaft nur dann tätig werden soll, wenn die untergeordente Ebene der sozialen oder politischen Unterstützung bedarf. Das bedeutet konkret in der EU, dass auf europäischer Ebene nur das geregelt wird, was dort besser zu bewirken ist. Dieser Grundsatz ist vertraglich festgehalten in Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV). Die EU kann infolgedessen nur die Zuständigkeiten übernehmen, die die Mitgliedstaaten ihr zuweisen. Der Grund für das Subsidiaritätsprinzip liegt darin, dass die EU-Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Regierungen sich darin einig sind, dass sie zwar eine handlungsfähige Europäische Union haben wollen, aber keinen zentralistischen Superstaat, der alle Befugnisse an sich zieht. 

Supranationalität

Der Begriff der Supranationalität wurde oben schon kurz erklärt und meint das Prinzip, dass die Mitgliedstaaten nationale Souveränität abtreten und diese auf der europäischen Ebene gemeinsam ausüben. Die Regelungen, die dort verabschiedet werden (sog. Richtlinien oder Verordnungen), sind dann für alle Mitgliedstaaten verbindlich.

Solidarität

Unter dem Grundsatz der Solidarität versteht man die Pflicht, in einer Gemeinschaft dem Schwächeren zu helfen, bei seinen Problemen mitanzupacken und so im Gesamten stärker zu werden. Das Prinzip ist in der EU sehr wichtig, da die wirtschaftliche Stärke der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist. Jedoch ist es nicht primär der Anspruch der EU, alle Staaten auf dasselbe ökonomische Niveau zu bringen. Vielmehr drückt sich das Solidaritätsprinzip z.B. in der Strukturpolitik aus, bei der wirtschaftliche Problemregionen zielgerichtet gefördert werden. Die Solidarität äußert sich aber auch politisch bei Sicherheitsbedrohungen oder in Katastrophenfällen. 

Rechtstreue

Damit das große und teilweise komplizierte Gebilde der EU funktioniert, ist es wichtig, sich an die selbst gesetzten und vereinbarten Regeln zu halten. Das Prinzip der Rechtstreue ist also unabdingbar. Das schließt Streit über die Auslegung der Beschlüsse jedoch nicht aus. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, dessen Urteil dann aber respektiert werden muss.

Bereitschaft zum Kompromiss

Kompromissbereitschaft ist wohl das wichtigste Prinzip für jegliches politisches Geschehen. Ein Kompromiss meint eine Einigung durch gegenseitige Zugeständnisse. Die Differenz der EU-Mitgliedstaaten in Größe, Tradition, Wirtschaftsstruktur, politischer Ausrichtung und Kultur macht es nicht immer einfach, überhaupt zu einem Beschluss zu kommen - v.a. deswegen, weil fast alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten die Bereitschaft zum Kompromiss mitbringen, da kein Land davon ausgehen kann, seine eigene Position vollständig durchsetzen zu können. Kompromissbereitschaft ist also eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der EU.

Degressive Proportionalität

Der Begriff degressive Proportionalität beschreibt eine Regel, nach der kleinere Einheiten im Verhältnis mehr Gewicht bekommen als größere. In der EU ist dieses Prinzip besonders wichtig, weil dort sowohl große Länder wie Deutschland mit über 80 Millionen Einwohnern als auch kleine Länder wie Malta mit weniger als 500.000 Einwohnern vertreten sind.

Damit auch die kleinen Länder angemessen gehört werden, bekommen sie mehr Sitze pro Einwohner als große Länder. Das ist das Ziel der degressiven Proportionalität. Kleinere Länder sollen im Europäischen Parlament nicht untergehen, nur weil sie weniger Einwohner haben.

Ein Beispiel: Malta hat etwa 493.000 Einwohner und stellt 6 Europaabgeordnete. Das heißt, ein Abgeordneter vertritt rund 68.800 Menschen. Deutschland hat rund 82 Millionen Einwohner und 96 Abgeordnete – dort vertritt ein Abgeordneter etwa 852.000 Menschen. Das zeigt: Je kleiner das Land, desto mehr Gewicht hat jede einzelne Stimme.

Ohne diese degressive Proportionalität wären kleinere Länder in den politischen Gremien kaum vertreten. Das würde jedoch dem Grundgedanken der Solidarität und dem fairen Miteinander in der EU widersprechen.