Die Europäische Kommission ist neben dem Europäischen Parlament das zentrale supranationale Organ der EU. Sie übernimmt drei wesentliche Aufgabenbereiche: Erstens gilt sie als „Motor der Integration“, da sie gegenüber dem Rat und dem Parlament das Initiativmonopol besitzt – das heißt, ohne einen Vorschlag der Kommission kommt kein neuer Rechtsakt der EU zustande. Zweitens erarbeitet die Kommission Grün- und Weißbücher, die der konzeptionellen Weiterentwicklung der europäischen Integration in verschiedenen Politikfeldern dienen. Drittens überwacht sie die Einhaltung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten und kann Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) besitzt die Kommission ein beratendes Mitspracherecht und kann Vorschläge unterbreiten. Das Initiativrecht liegt hier jedoch überwiegend beim Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie beim Rat der Europäischen Union.
Die Europäische Union besteht aus verschiedenen Institutionen, welche dazu dienen sollen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten zu finden. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Logiken, nach denen diese Institutionen Beschlüsse treffen können: Intergouvernemental (von lat. „inter“ – „zwischen“, also zwischen den Regierungen ausgehandelt) oder supranational (von lat. „supra“ – „über“, also über den Nationen stehend).
Intergouvernemental: Hiermit sind die Institutionen gemeint, in denen die Sachfragen von den Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten beschlossen werden. Das betrifft vor allem den Europäischen Rat („Gipfel der Staats- und Regierungschefs“) und den Rat der Europäischen Union („Ministerrat“). Die hier angewandte Logik entspricht der einer Verständigung zwischen den Staaten. Das hat den Vorteil, dass die einzelnen Mitgliedstaaten mehr Kontrolle über die Entscheidungen behalten und auf diese Weise weniger Souveränität abgeben müssen. Allerdings führt dies auch dazu, dass die nationalen Interessen im Vordergrund stehen und sich die Entscheidungsfindung mitunter langwierig gestaltet. Nach dieser Logik entstehende Kompromisse führen zudem unter Umständen zu ineffizienten Lösungen, da die Interessen der Nationalstaaten und die jeweilige (symbolische) Innenpolitik ein höheres Gewicht einnehmen können als die Tauglichkeit der Lösung.
Supranational: Die Institutionen, die nach supranationaler Logik entscheiden, wurden zwar ursprünglich ebenfalls von den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten eingerichtet, handeln aber seit diesem Zeitpunkt unabhängig und stehen über den Mitgliedstaaten. Dies hat den Vorteil, dass die Mitglieder dieser Institutionen nicht den Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern nur den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union gegenüber rechenschaftspflichtig sind, von welchen sie auch – vor allem im Fall des Europäischen Parlaments – legitimiert werden. Nach dieser Logik handelt vor allem das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof. Supranationale Institutionen müssen weniger Rücksicht auf die Interessenlage der Mitgliedstaaten nehmen und können unter Umständen schneller bindende Entscheidungen treffen, welche die Mitgliedstaaten aus eigener Kraft nicht als Kompromiss erreicht hätten, obwohl sie der gesamten Union langfristig zu Gute kommen. Dies hat allerdings zur Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten bereit sind, Souveränität abzugeben und den Aufbau eines „Staates über den Staaten“ zu unterstützen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Legitimation dieser Institutionen und ob diese ab einem gewissen Grad der Kompetenzanhäufung eine eigene, europäische Verfassung als Grundlage benötigen.
Die Europäische Union ist ein Mischsystem, in welchem sich einflussreiche intergouvernementale wie auch beharrliche supranationale Einrichtungen beobachten lassen, welche nicht selten auch miteinander konkurrieren. Diese Form der staatlichen Zusammenarbeit ist weltweit einzigartig, ein vergleichbares System lässt sich nirgendwo finden.
Zweitens ist die Kommission „Hüterin der Verträge“, da sie die Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts überwacht und die Interessen der Gemeinschaft gegenüber den Partikularinteressen der Mitgliedstaaten vertritt. So ist sie beispielsweise befugt, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten. Zudem überwacht sie gemeinsam mit dem Rat und der Europäischen Zentralbank die Haushaltslage der Mitgliedstaaten im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Ihr obliegen auch die Wettbewerbs- und Fusionskontrolle sowie die Überwachung staatlicher Beihilfen und die Kontrolle der Verwendung von EU-Subventionen.
Drittens wird die Kommission auch als „Exekutive der Gemeinschaft“ bezeichnet, weil ihr neben dem Ministerrat die Durchführung von Rechtsakten auf Gemeinschaftsebene zukommt und die Ausführung des EU-Haushalts anvertraut ist, für die sie dem Europäischen Parlament und dem Rat Rechenschaft ablegen muss. Zudem vertritt die Kommission die EU nach außen, insbesondere in den Bereichen Handel und internationale Zusammenarbeit. Die Außen- und Sicherheitspolitik wird dabei durch den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik koordiniert, der zugleich Vizepräsident der Kommission ist.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Bedeutung der Europäischen Kommission im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich angestiegen ist, sowohl nach innen als auch nach außen. So nimmt der Einfluss der europäischen Gesetzgebung zu, innerhalb derer kein Weg an der Kommission vorbeiführt. Die Vorschläge zu europäischen Reformen in Form von Weißbüchern sowie die seit 2015 durch Kommissionspräsident Juncker eingeführte „Rede zur Lage der Union“ rufen in ganz Europa zunehmende mediale Debatten hervor. Auch durch seine Rolle als Vertretung der EU gegenüber anderen Staaten steigt die Bedeutung des Kommissionspräsidenten. Der Einfluss der Europäischen Kommission wächst dabei in dem Maße, wie die politische Integration Europas zunimmt, da der Bedarf nach einer „europäischen Regierung“ steigt. Ab einem gewissen Zeitpunkt der Integration wird sich daher auch in Bezug auf die Kommission die Frage stellen, ob ihre Autorität der Legitimierung durch eine Europäische Verfassung bedarf.
Wie ist die Kommission zusammengesetzt?
Die Kommission besteht derzeit aus 27 Kommissaren, die aus den 27 Mitgliedstaaten stammen. Die Ernennung der Kommissionsmitglieder läuft folgendermaßen ab: Zunächst benennt der Europäische Rat ("Gipfel") seinen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten mit qualifizierter Mehrheit. Dieser Vorschlag muss vom Europäischen Parlament gebilligt werden. Gemeinsam mit dem designierten Kommissionspräsidenten stellt der Rat nun mit qualifizierter Mehrheit eine Liste möglicher Kandidaten für die Kommission auf. Alle Kommissionsmitglieder müssen sich einer Anhörung im Parlament stellen, anschließend kann das EP über die gesamte Kommission im Zustimmungsverfahren befinden. Fällt das Votum positiv aus, so wird die Kommission vom Rat mit qualifizierter Mehrheit für fünf Jahre ernannt. Seit 2014 ernennen die europäischen Parteienfamilien Spitzenkandidaten für die Europawahl, sodass das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission in der Folge von dem Spitzenkandidaten besetzt wird, welcher im Parlament eine Mehrheit hinter sich versammeln kann. Da die Abgeordneten sich fraktionsübergreifend darauf geeinigt haben, nach dem Prinzip der Spitzenkandidaten zu verfahren, wird dieses auch ohne rechtliche Bindung faktisch Anwendung finden, da das Europäische Parlament den Vorschlag des Rates sonst aus Prinzip ablehnen würde. Das EP ist zudem in der Lage, mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder und mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen der Kommission sein Misstrauen auszusprechen und damit das Gremium als Ganzes abzusetzen. Seit dem 1. Dezember 2019 ist die deutsche Politikerin Ursula von der Leyen Präsidentin der Europäischen Kommission.
Kommissar/-in | Ressort | Mitgliedstaat | Partei |
---|---|---|---|
Ursula von der Leyen | Präsidentin | Deutschland | EVP |
Frans Timmermans, Exekutiver Vizepräsident | Klimaschutz | Niederlande | SPE |
Margrethe Vestager, Exekutiver Vizepräsidentin | Wettbewerb, Digitalisierung | Dänemark | RE |
Valdis Dombrovskis, Exekutiver Vizepräsident | Kapitalmarktunion, Finanzdienstleistungen | Lettland | EVP |
Josep Borrell, Vizepräsident | Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik | Spanien | SPE |
Věra Jourová, Vizepräsidentin | Grundwerte und Transparenz | Tschechien | Renew |
Margaritis Schinas, Vizepräsident | Migration, Gleichheit und Diversität | Griechenland | EVP |
Maroš Šefčovič, Vizepräsident | Beziehungen zwischen den Europäischen Institutionen | Slowakei | SPE |
Dubravka Šuica, Vizepräsidentin | Demokratie und Demografie | Kroatien | EVP |
Johannes Hahn | Haushalt, Personal | Österreich | EVP |
Didier Reynders | Justiz und Rechtsstaatlichkeit | Belgien | Renew |
Marija Gabriel | Innovation, Jugend | Bulgarien | EVP |
Olivér Várhelyi | EU-Erweiterungen | Ungarn | EVP |
Janusz Wojciechowski | Landwirtschaft | Polen | EKR |
Virginijus Sinkevičius | Umwelt, Fischerei | Litauen | Grüne/EFA |
Thierry Breton | Binnenmarkt | Frankreich | parteilos |
Paolo Gentiloni | Wirtschaft | Italien | SPE |
Ylva Johansson | Innere Angelegenheiten | Schweden | SPE |
Adina Vălean | Verkehrspolitik | Rumänien | EVP |
Valdis Dombrovskis | Außenhandel | Lettland | EVP |
Kadri Simson | Energiepolitik | Estland | Renew |
Stella Kyriakides | Gesundheitspolitik | Zypern | EVP |
Jutta Urpilainen | Internationale Partnerschaften | Finnland | SPE |
Nicolas Schmitt | Arbeitsmarktpolitik | Luxemburg | SPE |
Elisa Ferreira | Innereuropäische Kohäsion und Reformen der EU-Institutionen | Portugal | SPE |
Helena Dalli | Gleichstellungspolitik | Malta | SPE |
Janez Lenarčič | Krisenmanagement | Slowenien | Parteilos |
Diskussionen um Verkleinerung der Kommission
Vergleicht man die Europäische Kommission mit einer Regierung, so handelte es sich bei den Kommissaren um die jeweiligen Minister. Ähnlich wie in den nationalen Regierungen leitet dabei jeder Kommissar ein bestimmtes fachliches Ressort. Da jedoch bis heute das Prinzip herrscht, dass jeder Mitgliedstaat der EU eines der Kommissariate für sich beanspruchen kann, wurde dieses „europäische Kabinett“ entsprechend den Beitritten neuer EU-Mitglieder ausgeweitet. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2009) sieht das EU-Recht vor, dass ab 2014 nur noch zwei Drittel der Mitgliedstaaten Kommissare stellen sollten. Allerdings entschied der Europäische Rat 2013 einstimmig, das bisherige System mit einem Kommissar pro Mitgliedstaat beizubehalten. Derzeit (Stand Juli 2025) besteht die Kommission weiterhin aus 27 Kommissaren, je einem pro Mitgliedstaat. Seit einigen Jahren mehren sich die Forderungen verschiedener Staats- und Regierungschefs sowie Interessenvertreter, die Anzahl der Kommissare zu senken, um die Arbeit der Kommission effizienter zu gestalten und Mittel aus dem EU-Haushalt einzusparen. Vorgeschlagen wird eine Verkleinerung auf etwa 15 bis 18 Kommissare, bei der die Ressorts zusammengelegt und ein Rotationsprinzip eingeführt werden könnte, um eine gleichberechtigte Beteiligung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzt bislang auf interne Umstrukturierungen und Ressort-Cluster, hat aber keine formale Verkleinerung initiiert. Unklar ist weiterhin, ob und wann der Europäische Rat sich auf eine Reform einigen wird, da vor allem kleinere Mitgliedstaaten die Beibehaltung des Prinzips „ein Kommissar pro Staat“ fordern, um ihren Einfluss in der Kommission zu sichern.
Präsident | Amtszeit | Mitgliedstaat | Partei |
---|---|---|---|
Ursula von der Leyen | 2019- | Deutschland | EVP |
Jean-Claude Juncker | 2014-2019 | Luxemburg | EVP |
José Manuel Barroso | 2004-2014 | Portugal | EVP |
Romano Prodi | 1999-2004 | Italien | EDP |
Manuel Marín | 1999 | Spanien | SPE |
Jacques Santer | 1995-1999 | Luxemburg | EVP |
Jacques Delors | 1985-1995 | Frankreich | SPE |