Unser Haus ist für alle offen
Wenn Sie Gästen Ihren Tempel hier in Bad Gottleuba-Berggießhübel vorstellen würden – was würden Sie ihnen zuerst zeigen?
Hoang Thanh An: Also, ich würde Sie natürlich zunächst ganz herzlich im buddhistischen Sinne begrüßen. Danach würde ich Ihnen zeigen, wie wir die buddhistische Lehre im Alltag leben und praktizieren. Ich würde erklären, dass wir zwei Familien haben: eine blutsverwandte, deren Ahnen wir zu Hause und im Tempel ehren, und eine spirituelle, die uns zur buddhistischen Lehre geführt hat. Für beide gibt es eigene Räume für Gebete und Rituale. Danach würde ich den großen Raum mit der Buddha- Statue zeigen, das Herzstück unseres Hauses, in dem wir täglich Achtsamkeitsübungen praktizieren.
Sie haben den Tempel 2023 in Bad Gottleuba-Berggießhübel eingeweiht. Wie ist es Ihnen seitdem ergangen?
Hoang Thanh An: Schon von Anfang an, als wir das Haus übernommen haben, sind wir direkt auf die Ortsbewohner zugegangen. Wir haben geklingelt, uns vorgestellt, erklärt, wer wir sind, woher wir kommen und was wir hier machen. Wir haben um ein gutes, freundliches Zusammenleben im Dorf gebeten – und das hat uns in den vergangenen zwei Jahren sehr geholfen. Wir haben immer gesagt, unser Haus ist für alle offen. Wenn jemand zu uns kommt, muss keine Voranmeldung erfolgen – das Haus steht jederzeit offen, und jeder kann kommen, wenn Bedarf besteht.
Gehen wir zurück zu dem Moment, an dem Sie an die Türen der Nachbarn klopften. Wie haben die Menschen reagiert? Begegneten Sie Ihnen mit Neugier oder eher Misstrauen?
Hoang Thanh An: Am Anfang waren vor allem die Älteren natürlich etwas vorsichtig, während die Jüngeren sehr offen reagierten. Sie sagten: „Aha, ihr seid Buddhisten – und wir hoffen, dass ihr Frieden bringt!“ So freundlich waren sie von Anfang an. Nach und nach haben auch die Älteren den Kontakt zu uns gesucht. Wir helfen uns gegenseitig, und es gibt schon einige Nachbarn, die regelmäßig zu uns kommen und uns ihre Hilfe anbieten. Das ist für uns in diesem Dorf wirklich sehr wertvoll.
Vor kurzem fand das 3. Dorffest auf unserem Gelände statt – ein richtig großes Ereignis, voller Stimmung und Unterhaltung den ganzen Tag. Wir haben vom buddhistischen Zentrum aus Speisen vorbereitet, natürlich vegetarische, und auch die Dorfbewohner haben etwas mitgebracht. Jeder von uns hat ein paar Worte gesprochen und seinen Eindruck von unserem gemeinsamen Leben hier im Dorf geteilt. Mich hat das sehr berührt. Man konnte richtig sehen, wie gut wir uns innerhalb von zwei Jahren schon kennengelernt haben.
Das Dorffest ist inzwischen für uns zu einem traditionellen Ereignis geworden. Es liegt uns wirklich sehr am Herzen. Dabei haben wir auch den Kontakt zu älteren Menschen ausgebaut, ihnen angeboten, dass wir sie vielleicht mal besuchen, und sie zu besonderen Anlässen in unser Haus eingeladen.

Welche Erfahrungen mit den Nachbarn haben Sie besonders beeindruckt?
Hoang Thanh An: Ja, es gibt mehrere Gesten, die uns sehr gerührt haben. Einer der Mönche, der im Tempel lebt und uns spirituell betreut, geht jeden Tag zum Deutschunterricht. Eines Tages fuhr der Bus nicht, und er machte sich zu Fuß auf den Weg. Da kam eine Frau vorbei und fragte: „Fährt heute kein Bus?“ – „Nein, leider nicht, ich gehe zu Fuß.“ Daraufhin ging sie nach Hause, holte ihr Auto und fuhr ihn zum Unterricht. Das war für uns eine sehr schöne Geste.
Oder ein anderes Beispiel: Letzten Winter erzählte ein Nachbar beim Fest, dass er unsere Schornsteine beobachtet habe. Er meinte: „Bei euch habe ich kaum Rauch gesehen, und ich fragte mich, ob es wohl warm genug bei euch ist. Ich habe gebetet, dass ihr nicht weggeht, weil es zu kalt ist. Ich bete, dass ihr genug Wärme habt, um hierbleiben zu können.“ Unser Haus ist alt, die Heizung funktioniert nicht besonders gut, vieles muss repariert werden – und zu sehen, dass die Nachbarn das bemerken und sich sorgen, war für uns sehr bewegend.
Und solche Momente gibt es immer wieder. Ein Nachbar brachte einfach aus seinem Garten einen Kürbis vorbei: „Ich habe zwei, ich möchte euch einen schenken.“ Das ist eine einfache Geste, aber für uns von großer Bedeutung. Sie zeigt, wie wichtig Nachbarschaft und Zusammenleben hier sind.
Wie nehmen Sie das gesellschaftliche und politische Klima in Sachsen wahr, und wie wirkt es auf Ihre Arbeit im Tempel oder Ihre Begegnungen mit der Dorfgemeinschaft?
Hoang Thanh An: Es ist mir wichtig zu betonen: Wir wollen unsere Arbeit niemals mit Politik in Verbindung bringen. Aber man hat uns erzählt, dass hier 70 bis 75 Prozent der Bürger die AfD gewählt haben. Wir selbst spüren das nicht. Seit zwei Jahren leben wir hier und haben nur gute Erfahrungen mit unseren Nachbarn gemacht.
Zur Einweihung haben wir Vertreter großer Kirchen eingeladen – sowohl der evangelischen Landeskirche Sachsens als auch der katholischen Kirche. Einer vom evangelischen Landeskirchenamt, ein Freund von mir, sagte damals: „Ihr habt wirklich Mut, euch hier niederzulassen.“ Ich antwortete: „Das ist kein Mut, das ist eine Chance. Und wenn sich eine Chance bietet, sollte man sie nutzen, um seine Wünsche zu verwirklichen.“
Er ist später wiedergekommen und meinte, er sei fasziniert, was wir hier aufgebaut haben. Natürlich habe ich auch gesagt: „Wir sind erst seit zwei Jahren hier, es gibt noch viel zu tun und noch vieles, das wir aufbauen wollen“

Arbeiten Sie auch mit der Stadt oder lokalen Vertretern zusammen? In welchen Bereichen zeigt sich diese Kooperation?
Hoang Thanh An: Ja, im Laufe der Zeit haben wir auch nach und nach die Stadträte zu uns eingeladen, damit sie sehen können, wie wir leben und wie wir die buddhistische Lehre praktizieren. Alle waren sehr hilfsbereit und haben gesagt: „Wenn ihr Hilfe braucht, meldet euch einfach, wir sind für euch da.“
Außerdem wollen wir Kontakte zu anderen unabhängigen Vereinen knüpfen und prüfen, ob wir gemeinsam etwas gestalten können. Zur Einweihung des Tempels kam auch der Bürgermeister. Er ist begeistert, dass wir hier sind.
Sie haben schon erzählt, dass Sie einmal im Jahr das Dorffest auf Ihrem Gelände ausrichten. Sehen Sie im Tempel noch andere Möglichkeiten, Brücken zur Dorfgemeinschaft zu schlagen, z. B. durch Kulturveranstaltungen oder offene Begegnungen?
Hoang Thanh An: Ja, wir haben noch viel vor. Wir haben Kontakt zu Alten- und Pflegeheimen aufgenommen und angeboten, bei Bedarf zu helfen. Manche ältere Menschen wollen allein bleiben, andere freuen sich über Besuche. Wir haben nachgefragt, ob wir als vietnamesische Buddhisten zu Besuch kommen können. Das läuft langsam an, unterstützt von den Pflegekräften.
Ein Altenheim haben wir bereits besucht. Wir sind einfach hingegangen, haben gesagt: „Wir sind Nachbarn hier im Dorf, wir möchten euch kennenlernen!“ Auch Kitas haben wir kontaktiert. Es gibt einen Spielplatz, der renoviert werden soll und es liegt uns am Herzen, uns daran zu beteiligen.
Auch für Jugendliche, vor allem der vietnamesischen dritten Generation, möchten wir Angebote aufbauen.
Mit Reha-Kliniken planen wir zur Zeit Meditationen für Patienten durchzuführen. Wir sind gerade dabei, die letzten Details zu besprechen.
Aber wir haben auch noch viel mit unserem eigenen Haus zu tun. Vieles machen wir selbst, für größere Arbeiten kommen Handwerker. Alle Buddhisten helfen ehrenamtlich, Nachbarn unterstützen uns – das macht Freude, und nach und nach setzen wir alles um.

Bad Gottleuba-Berggießhübel ist ein Kurort inmitten einer wunderschönen Naturlandschaft. Welche Rolle spielt diese Umgebung bei den Aktivitäten oder Ideen Ihrer Gemeinde?
Hoang Thanh An: Es ist ein idealer Ort für Meditation und um innere Kraft zu schöpfen. Das ist ein faszinierender Ort für Gehmeditation. Wir machen fast jede Woche, fast jeden Tag Gehmeditation. Die Menschen sind begeistert. Direkt vor unserem Haus fließt die Gottleuba, und wir gehen regelmäßig durch Wälder, entlang des Baches, zwischen Felsen – mitten in der Natur der Sächsischen Schweiz. Es ist herrlich. An heißen Tagen gibt es einen Ort, an dem wir einfach sitzen und meditieren können. Oder wir sitzen da und tauschen uns über die Natur und unsere Empfindungen aus.
Wir möchten auch mit dem Verein zusammenarbeiten, der sich für den Umweltschutz hier einsetzt. Aber zunächst müssen wir unser Haus weiter renovieren. Solche Kooperationen kommen mit der Zeit. Wir wollen unseren Beitrag leisten, da es uns sehr am Herzen liegt.
Die Natur hier schenkt uns täglich Kraft. Bei der Gehmeditation laufen die Menschen schweigend hintereinander, spüren jeden Schritt, nehmen die Kräfte der Natur auf und atmen tief – in Kontakt mit Mutter Erde. Dieses tiefe Verbundensein mit der Landschaft findet man kaum irgendwo so wie hier.
Was würden Sie gerne Bad Gottleuba-Berggießhübel mitgeben?
Hoang Thanh An: Wir leben heute in einer Gesellschaft, die stark gespalten und polarisiert ist. Das erfüllt uns mit Sorge. Deshalb denken wir bei jeder Aufgabe, bei jeder Begegnung und bei jedem Projekt darüber nach, wie wir zum sozialen Frieden beitragen können.
Uns ist wichtig, dass Menschen zusammenhalten. Natürlich hat jeder eine eigene Sichtweise, doch zuerst sind wir alle Menschen – alles andere kommt erst danach. Warum also nicht zu diesem Kern zurückkehren und lernen, friedlich miteinander zu leben, ohne Hass?
Als Buddhisten liegt uns das sehr am Herzen. In allem, was wir tun, fragen wir uns: „Wie können wir ein Stück mehr Frieden in unsere Gesellschaft bringen?“ Das ist unser inneres Anliegen und unsere Verantwortung.