„Nur eine Flugstunde von Berlin entfernt“

Am 9. Augst 2020 gingen Tausende Menschen in Belarus nicht nur in Minsk auf die Straße, um gegen die Wahlen und den zum sechsten  Mal wiedergewählten Präsidenten zu demonstrieren.  Zu dieser Zeit war auch der Regisseur Aliaksei Paluyan mit seinem Filmteam für Dreharbeiten in Minsk.

Sein Film COURAGE begleitet eine Schauspielerin und zwei ihrer Kollegen des Untergrundtheaters Belarus Free Theatre. Paluyan will zeigen, wie wichtig Freiräume in der Kunst sind, um Dinge anzusprechen, die in einem autoritären Staat nicht ohne Konsequenzen laut ausgesprochen werden dürfen.

Die aktuellen Ereignisse veränderten den Film. Sie spitzten ihn zu, ließen ihn noch politischer werden: Die Schauspielerin und ihre Kollegen schließen sich den Demonstrationen an, sprechen in ihrer Theatergruppe darüber, wie sie mit Verhaftungen innerhalb ihrer Gruppe umgehen und sich gegenseitig schützen und unterstützen können. Sie packen ihren Rucksack für eine potentielle Nacht im Gefängnis und schließen sich den Demonstrationen an. Aliaksei Paluyan und seine Kamerafrau Tanya Haurylchyk sind mittendrin. Sie  filmen die friedlichen Proteste aus der Perspektive der Demonstrierenden. Damit bezieht der Film eindeutig eine Position. Die Filmemacher wollen das Engagement und den Mut der Menschen in Belarus zeigen. Ihnen haben sie den Film gewidmet.

Mit allen Mitteln

Genauso wie viele ihrer Landsleute glaubten Aliaksei Paluyan und Tanya Haurylchyk vor einem Jahr noch, dass sie diesmal eine Veränderung des Regimes herbeiführen könnten, dass der autoritär regierende, die Opposition unterdrückende Präsident Aljaksandr Lukaschenko diesmal zurücktreten würde. Diese Hoffnung äußern auch die drei Theaterleute im Film immer wieder. Heute ist Lukaschenko noch immer Präsident und das autoritäre Regime kämpft mit allen Mitteln  dafür, an der Macht zu bleiben. Der Optimismus der Menschen, die auf die Straße gingen, ist weitgehend erstickt.

Gemeinsam mit der SLpB hat die Stiftung Friedliche Revolution den Film COURAGE am Montag, dem 9. August 2021, dem Jahrestag der Proteste in Belarus, gezeigt. Unterstützt wurde die Vorführung von der Stadt Leipzig und durch Spenden engagierter Bürgerinnen und Bürger in Leipzig. Die Filmschau fand als Freiluftveranstaltung direkt neben der Nikolaikirche statt, so dass sich Kirchenbesucherinnen und Passanten auch spontan entscheiden konnten, teilzunehmen.

Der Ort ist nicht zufällig. Auch wenn es einfacher gewesen wäre, den Film in einem Kino oder einer schon vorhanden Open-Air-Bühne zu zeigen, hatte die Stiftung diesen Ort, den Platz vor der Nikolaikirche ganz bewusst gewählt: Von hier gingen 1989 die Bilder der friedlichen Proteste von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern um die Welt. Das hatte auch den Regisseur Paluyan überzeugt, am Jahrestag der Proteste in Belarus nach Leipzig  zu kommen.

#BelarusSichtbarMachen

Im Anschluss an die Vorführung diskutierte der Filmemacher gemeinsam mit Ina Rumiantseva vom Verein Belarus RAZAM e.V. und dem Intendanten des DOK Leipzig Festivals Christoph Terhechte über sein Werk und die aktuellen Ereignisse in Belarus. Alle drei Teilnehmenden der Gesprächsrunde waren sich einig, dass nur ein Dokumentarfilm so eindrücklich und so aktuell von den Ereignissen, der Stimmung und der aktuellen Situation in Belarus berichten kann – ganz ohne Gewalt und Eskalation abzubilden, sondern sich auf die Wirkung vieler kleiner Alltagsszenen verlassend.

Aliaksei Paluyan erinnerte das Leipziger Publikum immer wieder daran, dass Belarus ein europäisches Nachbarland ist, nur eine Flugstunde entfernt von Berlin, dass Westeuropa nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und die Menschen in Belarus nicht vergessen dürfe. Aktuell wirbt der Verein RAZAM e.V. mit #BelarusSichtbarMachen  für dieses Anliegen. Initiatorin Ina Rumiantseva betonte noch einmal mehr, wie wichtig es sei, dass Belarus nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet.