Viele Sachsen sind mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland unzufrieden. Diese Erkenntnis machte auch Dirk Neubauer als Bürgermeister in Augustusburg. In seinem Buch „Rettet die Demokratie“, das 2010 erschienen ist, plädierte er für mehr Beteiligungsformate. Bürgerinnen und Bürger sollen sich am politischen Geschehen aktiv beteiligen und nicht nur bei den Wahlen ein Kreuz setzen. Politik kann so näher und erfahrbarer werden.
Ein paar Jahre später tritt Dirk Neubauer als Mittelsachsens Landrat zurück. An den Bürgerveranstaltungen in seinem Landkreis nahmen vorrangig Menschen teil, die keinen konstruktiven Dialog wollten, sondern einfach „dagegen“ waren. Neubauers Fazit: Die Menschen aus der politischen Mitte schweigen und überlassen damit die Suche nach Lösungen den „extremen Rändern“.
Über ähnliche Erfahrungen berichten auch andere Kommunalpolitikerinnen und -politiker in Sachsen: Zu laut sind in ihren Städten und Gemeinden jene, die menschenfeindliche Parolen skandieren und Minderheiten bedrohen; zu leise dagegen diejenigen, die eine demokratische Gesellschaft verteidigen. Zeigen Amtsträger Haltung gegen Rechtsextremismus, sehen sie sich häufig mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Abwahlanträgen konfrontiert. Die Bearbeitung solcher Verfahren bindet viel Zeit und erschwert die eigentliche Arbeit, ebenso wie die Abwesenheit von Ratsmitgliedern bei Sitzungen, in denen wichtige Beschlüsse gefasst werden sollen.
Politische Gegner üben ihren Druck nicht nur im Amt aus, sondern schaffen auch im privaten Umfeld eine Bedrohungsatmosphäre. Viele kommunale Amtsträgerinnen und Amtsträger sehen sich Missachtung, Beschimpfungen und sogar Demonstrationen vor ihren Wohnhäusern ausgesetzt. In Sachsen mehren sich solche Vorfälle, die nicht selten darauf abzielen, demokratische Politikerinnen und Politiker zum Rücktritt zu bewegen.
Zu den Gesprächen mit dem ehemaligen Landrat haben wir aktive sächsische Kommunalpolitikerinnen eingeladen, um von ihrem persönlichen Kampf für unsere Demokratie zu berichten. Gemeinsam wollen wir über Lösungsansätze zur Stärkung der demokratischen Kultur nachgedenken. Braucht Sachsen mehr direkte Demokratie oder stärkeres parteipolitisches Engagement? Wie verändert sich die demokratische Kultur, wenn engagierte Demokratinnen und Demokraten ihre Ämter niederlegen? Und welche Unterstützung brauchen Bürgerinnen und Bürger, die sich ehren- oder hauptamtlich in der Lokalpolitik engagieren?
Die Veranstaltungen werden von Alexandra Gerlach moderiert.