Die repräsentative Demokratie bildet in Deutschland den institutionellen Kern der politischen Willensbildung. Dabei entscheiden zeitlich befristet gewählte Abgeordnete in Parlamenten über Gesetze und politische Richtungsentscheidungen. Ergänzend dazu können Bürgerinnen und Bürger in Sachsen auch unmittelbar Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Dies geschieht im Rahmen der direkten Demokratie durch Instrumente wie den Volksantrag, das Volksbegehren und den Volksentscheid. Anders als bei Wahlen, bei denen über Personen oder Parteien abgestimmt wird, richtet sich die direkte Demokratie auf konkrete Sachfragen. Durch Abstimmungen kann Landesrecht unmittelbar durch die Stimmberechtigten selbst gesetzt werden – ohne den Umweg über parlamentarische Verfahren. Auch auf kommunaler Ebene sind direktdemokratische Verfahren wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide vorgesehen. Damit eröffnet die sächsische Verfassung zusätzliche Mitwirkungsmöglichkeiten jenseits der klassischen Wahlzyklen.

Der Weg der Volksgesetzgebung in Sachsen

In der Sächsischen Landesverfassung (Art. 70–73) und dem begleitenden Gesetz über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (SächsVDGG) ist ein dreistufiges Verfahren vorgesehen:

Stufe 1: Volksantrag
Ein Volksantrag kann beim Landtagspräsidenten eingereicht werden, wenn er von mindestens 40.000 Stimmberechtigten unterzeichnet wurde. Er muss einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf sowie eine Begründung enthalten. Nach formaler Prüfung durch den Landtagspräsidenten und einer Stellungnahme der Staatsregierung über die Zulässigkeit befasst sich der Landtag in zwei Lesungen und zwischengeschalteter Ausschussüberweisung mit dem Volksantrag. Stimmt der Landtag dem Antrag ohne Änderungen innerhalb von sechs Monaten zu, tritt er als Gesetz in Kraft.

Stufe 2: Volksbegehren
Lehnt der Landtag den Antrag ab oder ändert ihn, können die Antragsteller ein Volksbegehren (gemäß Art 72 (1) der Landesverfassung) einleiten. Dafür müssen innerhalb von sechs Monaten 450.000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Wird das Quorum erreicht, folgt der Volksentscheid.

Stufe 3: Volksentscheid
Ist das Volksbegehren erfolgreich, so kommt es nach drei bis sechs Monaten zum letzten Verfahrensschritt, dem eigentlichen Volksentscheid, bei der dann in der Regel kein Mindestbeteiligungs- oder Zustimmungsquorum mehr vorgesehen ist. Der Landtag hat dabei die Möglichkeit, einen zusätzlichen eigenen Gesetzentwurf als Konkurrenzvorlage zur Abstimmung vorzulegen. Die Bürger haben also die Wahl, ob sie entweder dem Volksbegehren oder der Landtagsvorlage zustimmen oder aber beide ablehnen. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet, wobei grundsätzlich nur mit Ja oder Nein gestimmt werden kann.

Politische Praxis und Problematisierung

Auf Landesebene kam es seit 1990 zu insgesamt zehn Volksanträgen, aus denen vier Volksbegehren und bislang ein Volksentscheid hervorgingen. (Stand Mai 2025, einen Überblick zu 35 Jahren Volksgesetzgebung in Sachsen gibt es auf der Webseite des Sächsischen Landtags) Das erforderliche Quorum für ein Volksbegehren liegt derzeit bei 10 % der Stimmberechtigten, was in Sachsen etwa 450.000 Unterschriften entspricht. Bei mehreren Volksbegehren wurde dieses Quorum nicht erreicht, was die praktische Bedeutung der hohen Mobilisierungshürde verdeutlicht. Bürgerbewegungen, Populisten verschiedener politischer Richtungen sowie einzelne Parteien fordern seit Jahren (jedoch bislang erfolglos) eine Absenkung des Quorums, um die direkte Demokratie zu erleichtern.

Nach einer Phase ohne neue Volksanträge ab 2001 ließ sich zuletzt wieder mehr Bewegung in der Volksgesetzgebung feststellen. Die letzten beiden Volksanträge in Sachsen beschäftigten sich mit Bildungsthemen: Der Volksantrag „Längeres gemeinsames Lernen in Sachsen“ (2019–2020) widmete sich dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Gemeinschaftsschule im Freistaat Sachsen. Er wurde am 15. Juli 2020 abgelehnt. Seit 2024 läuft der Volksantrag „5 Tage Bildungszeit in Sachsen“, der einen gesetzlichen Anspruch auf fünf Tage Bildungsfreistellung pro Jahr für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordert und im März 2025 im Landtag in einer ersten Beratung an den zuständigen Ausschuss überwiesen wurde. Umfragen belegen, dass die direkte Demokratie in Sachsen und deutschlandweit eine hohe und tendenziell steigende Zustimmung erfährt, aktuell mit Zustimmungswerten um die 80 %. Allerdings sind viele Bürger offenbar nicht hinreichend über die konkreten Verfahren und Möglichkeiten der Volksgesetzgebung informiert.

Die vergleichsweise geringe Beteiligung an Unterschriftensammlungen und Volksentscheiden erklärt sich zum Teil dadurch, dass nur ein Teil der Bevölkerung von den jeweiligen Gesetzesvorhaben direkt betroffen ist. Ein weiterer wesentlicher Problemaspekt der direkten Demokratie ergibt sich, wenn Volksentscheide im Widerspruch zur Position der gewählten Repräsentanten stehen. In solchen Fällen können Parlamente eine per Volksentscheid herbeigeführte Rechtslage häufig durch nachfolgende Gesetze aufheben oder abändern, was die Legitimität der direkten Demokratie infrage stellen kann. Diese Konflikte führen oft zu Demokratieverdruss und einem Vertrauensverlust bei Bürgerinnen und Bürgern, die sich „verschaukelt“ fühlen, wenn die Mehrheitsentscheidung der direkten Demokratie nicht respektiert wird.

Direkte Demokratie auf kommunaler Ebene

Unterhalb der Schwelle von Gesetzen ist in Sachsen auch auf kommunaler Ebene direktdemokratische Willensbildung möglich. Ein entscheidendes Element bilden hierbei Bürgerbegehren und Bürgerentscheide als Teil der kommunalen Selbstverwaltung.

Mit einem Bürgerbegehren fordern die Bürger einer Stadt, Gemeinde oder eines Landkreises durch ihre Unterschrift eine Abstimmung (d.h. einen Bürgerentscheid) über eine bestimmte Sachfrage. Ein Bürgerbegehren muss in der Regel von mindestens 10 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung unterzeichnet sein. Es muss eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung, eine Begründung und einen Kostendeckungsvorschlag der vorgeschlagenen Maßnahme enthalten. Beschließt der Gemeinderat die im Bürgerbegehren geforderte Maßnahme nicht, eröffnet sich die Möglichkeit des Bürgerentscheids.

Zum Gegenstand eines Bürgerentscheides können alle Fragen werden, für welche die jeweilige kommunale Vertretungskörperschaft (z.B. Gemeinderat) zuständig ist. Ausgeschlossen sind allerdings einige haushaltsrelevante Themen. Beim Bürgerentscheid gilt das Prinzip „Mehrheit entscheidet“, allerdings muss diese Mehrheit der abgegebenen Stimmen mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten umfassen. Verglichen mit dem Volkbegehren auf Landesebene ist das beim Bürgerentscheid geforderte Zustimmungsquorum somit fast doppelt so hoch. Wahlenthaltungen wirken im Sinne einer Ablehnung des Bürgerbegehrens. Ein Bürgerentscheid kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid, nicht aber durch Gemeinderatsbeschluss abgeändert werden.

Bis Anfang 2016 kam es in Sachsen zu 348 Bürgerbegehren (von denen 100 das Quorum verfehlten oder formal unzulässig waren) und in der Folge zu 156 Bürgerentscheiden (108mal erfolgreich, 48mal gescheitert). Die übrigen Fälle erledigten sich überwiegend durch Kompromisse bzw. vorweggreifende neue Beschlüsse der Vertretungskörperschaft. Als der bislang am stärksten auch überregional beachtete Bürgerentscheid in Sachsen erwies sich die Abstimmung über die Elbquerung „Waldschlösschenbrücke“ im Jahr 2005, bei der die Dresdner mehrheitlich einer Brückenlösung zustimmten.

Eine weitere Möglichkeit der Einflussnahme auf kommunalpolitische Entscheidungen stellt der Einwohnerantrag dar. Durch ihn kann erreicht werden, dass der Gemeinderat ein aus Sicht der Einwohner wichtiges kommunalpolitisches Thema innerhalb von drei Monaten behandeln muss. Der Antrag muss i.d.R. von mindestens zehn Prozent der Einwohner, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, unterzeichnet sein. Einbezogen werden neben den deutschen Jugendlichen ab 16 Jahren auch die Nicht-EU-Ausländer ab dieser Altersgruppe. Der gleiche Personenkreis, der einen Einwohnerantrag stellen kann, ist auch befugt, mit dem gleichen Quorum wie beim Einwohnerantrag vom Gemeinderat die Einberufung einer Einwohnerversammlung zu verlangen. Bei dieser Versammlung müssen Gemeinderat und Bürgermeister den Einwohnern zum Gespräch zur Verfügung stehen.

Abb. 1: Volksgesetzgebung in Sachsen

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