In den Jahren 1989/1990 begannen immer mehr Jüdinnen und Juden aus der zerfallenden Sowjetunion auszureisen. Grund dafür war der zunehmende Rechtsextremismus und der ansteigende Antisemitismus in der UdSSR.
In Deutschland reisten sie insbesondere in die DDR ein. Am 11. Juli 1990 beschloss der Ministerpräsidentenrat der DDR die Gewährung von Einreise und ständigem Aufenthalt für Jüdinnen und Juden aus der Sowjetunion. 650 Jüdinnen und Juden konnten mit Touristenvisa einreisen. Diese Vereinbarung wurde jedoch nicht im Einigungsvertrag der beiden deutschen Staaten festgehalten.
Rechtliche Regelungen zur Aufnahme jüdischer Migranten
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz vom 9. Januar 1991 wurde die Aufnahme von Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion über das Kontingentflüchtlingsgesetz geregelt. Diese Bestimmung war bis 2004 gültig und wurde am 1. Januar 2005 durch das neue Zuwanderungsgesetz abgelöst.
Jüdinnen und Juden wurden als ethnisch und religiös unterdrückte Minderheit anerkannt und dem sogenannten Kontingentflüchtlingsgesetz zugeordnet. Die Aufnahme von jüdischen Menschen in Deutschland erfolgte auch in der Absicht, das jüdische Leben nach der Shoah als Akt der Versöhnung in Deutschland wiederzubeleben.
Aufnahmebedingungen und Aufenthaltstatus
Die Aufnahme erfolgte unter der Definition, dass alle Personen, die laut staatlichen Personenstandsurkunden selbst jüdischer Herkunft (Nation) waren oder von mindestens einem jüdischen Elternteil (Großeltern) abstammen, aufnahmeberechtigt waren. Es gab keine klare quantitative oder zeitliche Beschränkung für die Aufnahme von jüdischen Menschen aus der (ehemaligen) Sowjetunion. Es wurde jedoch nach den Aufnahmekapazitäten der einzelnen Länder geschaut und auf Basis von Einzelfallentscheidungen nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz entschieden.
Jüdische Migranten erhielten grundsätzlich den Status von Flüchtlingen gemäß der Genfer Menschenrechtskonvention. Sie erhielten eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis und hatten Zugang zu Leistungen wie Sprachkursen, Unterkunft oder Sozialhilfe. Nichtjüdische Ehepartner, minderjährige Kinder und unverheiratete volljährige Kinder, welche im Haushalt der aufnahmeberechtigten Person lebten, konnten in den Antrag mit einbezogen werden. Nach der Genehmigung des Antrags konnten sie mit einreisen.
Jüdische Zuwanderung nach Deutschland und Sachsen
Bis zum 31. Dezember 2004 wanderten im Rahmen dieser Aufnahmepolitik ca. 199.000 Menschen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach Sachsen kamen gemäß des Königsteiner Schlüssels davon ca. 6,5% (12.935) der jüdischen Einwandernden.
Der Begriff Kontingentflüchtling
Kontingentflüchtlinge sind Individuen, die aufgrund völkerrechtlicher oder humanitärer Gründe aus Krisengebieten von einem Staat aufgenommen werden, ohne dass sie einen förmlichen Asylantrag stellen müssen. Der aufnehmende Staat legt eine Anzahl fest, wie viele Geflüchtete auf diese Weise aufgenommen werden können und sollen, diese Anzahl wird als „Kontingent“ bezeichnet. Unter bestimmten Bedingungen haben diese Menschen die Möglichkeit, im Anschluss eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
Quellen und weiterführende Links:
- Bundeszentrale für politische Bildung: Jüdische Kontingentflüchtlinge und Russlanddeutsche
- Bundeszentrale für politische Bildung: Man hat Juden erwartet und es sind Menschen gekommen
- Zuwanderungsgesetz
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Dossier jüdische Zuwanderung
- Bernstein, Julia: „Man hat Juden erwartet und es sich Menschen gekommen“, Bundeszentrale für politische Bildung, 11.05.2021, www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/juedischesleben/331911/man-hat-juden-erwartet-und-es-sind-menschen-gekommen/ (zuletzt gesichtet 14.11.2023)
- Zentralrat der Juden in Deutschland: Infos zur Zuwanderung
- Haug, Sonja; Schimany, Peter: Jüdische Zuwanderer in Deutschland: ein Überblick über den Stand der Forschung; Working Paper / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl (FZ), 3). Nürnberg.2005; https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-352438
- Bundeszentrale für politische Bildung: Kontingentflüchtling; Glossar Migration – Integration – Flucht & Asyl
- Jüdische Allgemeine: “Dresden ist unsere zweite Heimat”