Neuregelung des Asylrechts
“(...) Mit der Drittstaatenregelung bürden wir Tschechien und Polen eine Last auf, vor der wir, eine der führenden Industrienationen der Welt, kapitulieren.“, Heiner Sandig, sächsischer Ausländerbeauftragte.
Der Asylkompromiss bezeichnet die durch Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD beschlossene Neuregelung des Asylrechtes vom 26. Mai 1993.
Die Vereinbarung sollte den Zuzug regeln und stärker begrenzen. Der “Kompromiss” wird auch als eine Reaktion auf eine rassistische Stimmung im Land eingestuft. Eine Welle rassistischer Gewalttaten und Anschläge erschütterte die Bundesrepublik in diesen Jahren, die von einigen Medien und Parteien auf die bisherige deutsche Flüchtlingspolitik und die hohe Zahl von Asylbewerbern zurückgeführt wurde.
Politische Hintergründe und gesellschaftliche Reaktionen
Die wichtigsten Elemente des Asylkompromisses von 1993 umfassten:
- Grundgesetzänderung: Der Asylkompromiss führte zu einer Änderung des Grundgesetzes (Artikel 16a), um die Bedingungen für die Gewährung von politischem Asyl zu verschärfen.
Sichere Drittstaaten: Die Änderungen legten fest, dass Personen, die aus einem sogenannten sicheren Drittstaaten einreisen, keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Nach Art. 16a (2) GG umfasst dies die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und all jene, in denen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention zur Anwendung kommen. Diese Regelung sollte festschreiben, dass Asylsuchende in ihrem ersten sicheren Aufnahmeland Asyl beantragen. Die Möglichkeit, die Sicherheit im sogenannten Drittland im Asylantrag zu widerlegen, war kaum gegeben. Dies stellte eine starke Einschränkung der Schutzsuche dar. - Sichere Herkunftsstaaten: Stammt eine Person aus einem sicheren Herkunftsstaat, nimmt der Gesetzgeber an, dass keine Verfolgung vorliegt. Asylanträge aus als sicher eingestuften Herkunftsstaaten werden in der Regel abgelehnt, die Verfolgung muss individuell belegt werden. Die Liste sicherer Herkunftsstaaten wird im §29a (2) des Asylgesetzes geführt.
- Sachleistungen statt Geldleistungen: Anstelle von Geldleistungen erhielten Asylbewerber verstärkt Sachleistungen, insbesondere für Unterkunft und Verpflegung. Außerdem erhielten sie nur 70% des deutschen Sozialhilfeniveaus. Diese Grundleistungen wurden später durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2012 als „evident unzureichend“ und verfassungswidrig erklärt. Erst 2015 trat eine novellierte Fassung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kraft, das sich grundsätzlich an Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II orientierte.
- Einschränkungen bei Gesundheitsleistungen: Der Zugang zu Gesundheitsleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber wurde beschränkt. Nur in dringenden Fällen und akuten Erkrankungen war ein Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleistet.
Gesellschaftliche Reaktionen und politische Folgen
Der Asylkompromiss von 1993 war Teil eines breiteren politischen und gesellschaftlichen Diskurses über die Asylpolitik in Deutschland. Die politischen Debatten und die Abstimmung über das Gesetz wurden von breiten Protesten begleitet.
Statistische Entwicklung und Auswirkungen
In den kommenden Jahren ging die Zahl der Anträge um ein Viertel zurück. 1993 kamen 322.842 Asylbewerberinnen und Asylbewerber in die Bundesrepublik, was einen Rückgang von 26,4% zum Vorjahr bedeutete. In Sachsen befanden sich bis Mitte 1994 7367 Asylbewerber. Die meisten davon kamen aus Rumänien, gefolgt von Bulgarien, der Türkei, Vietnam und Jugoslawien (5, S.19).
Rassistische Gewalt und die Auswirkungen des Asylkompromisses
Eine Abnahme der rassistischen Gewalt konnte nicht beobachtet werden. Nur drei Tage nach der Abstimmung im Bundestag sind bei einem Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Solingen fünf Menschen mit türkischen Wurzeln getötet worden. Der damalige sächsische Ausländerbeauftragte Heiner Sandig schrieb in seinem Bericht an den Landtag: „Es ist unumstritten, dass die Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen- und auch wir- durch den starken Zustrom von Asylbewerbern mental, logistisch und finanziell überaus stark gefordert waren. Fraglich ist aber, ob sich die Änderungen des Asylrechts, noch an den Vorgaben des Grundgesetzes messen lassen können. (…) Mit der Drittstaatenregelung bürden wir Tschechien und Polen eine Last auf, vor der wir, eine der führenden Industrienationen der Welt, kapitulieren.“.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Bundeszentrale für politische Bildung: Vor zwanzig Jahren: Einschränkung des Asylrechts 1993
- Ruth Weinzierl: Der Asylkompromiss 1993 auf dem Prüfstand - Gutachten zur Vereinbarkeit der deutschen Regelungen über sichere EU-Staaten und sichere Drittstaaten mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem EU-Recht und dem Deutschen Grundgesetz; Deutsches Institut für Menschenrechte; 2009
- Staatsministerium des Innern Freistaat Sachsen: Ausländer in Sachsen - Unterschiede zwischen Ost und West
- Amand Führer: Determinanten der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in Deutschland; Bundesgesundheitsblatt 2023 · 66:1083–1091, 2023
- Sandig, Heiner: Mit Fremden Leben lernen: Erster Jahresbericht des sächsischen Ausländerbeauftragten. Sächsischer Landtag 1. Wahlperiode; Drucksache 1/3662; 1993
- Deutschlandfunk: Asylkompromiss vor 30 Jahren - Als sich Union und SPD auf ein neues Asylrecht einigten