Die Schlussakte von Helsinki: Der Anfang vom Ende des Kalten Kriegs

Die Geschichte der Friedlichen Revolution beginnt am 1. August 1975 in Helsinki, als 35 Staaten, allen voran die UdSSR, die USA und nahezu alle europäische Staaten, darunter auch DDR sowie BRD, die Schlussakte einer Konferenz unterschrieben, deren Wirkung erst deutlich später offensichtlich werden wird. Der Kalte Krieg lief zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahrzehnte, ein nuklearer Vernichtungskrieg konnte in einigen Situationen nur knapp abgewendet werden. Nach mehrjähriger Vorbereitung sollte die Konferenz dazu dienen, Ost- und Westblock aneinander anzunähern und die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbuchs durch gegenseitige Zugeständnisse zu verringern. Als großen Erfolg konnten vor allem die Ostblockstaaten verbuchen, dass alle Nachkriegsgrenzen einschließlich großer durch die Sowjetunion vorerst nur annektierter Gebiete anerkannt wurden. Zudem wurde beiderseitig das Prinzip der Nichteinmischung erklärt, was eine größere Zurückhaltung in Fragen der Innenpolitik des jeweiligen ideologischen Gegners nach sich zog. Ein Zugeständnis der Ostblockstaaten bestand in der Anerkennung allgemeiner Grund- und Menschenrechte.

Obwohl diese zuerst den Anschein eines reinen Lippenbekenntnisses machten, stellten sie den folgenreichsten Teil der Konferenz dar. So unterschätzen die Unterhändler der UdSSR, dass in den folgenden Monaten und Jahren viele Bürgerrechtsgruppen entstehen würden, welche sich auf die Erklärung beriefen und durch die erhöhte Legitimationsbasis immer mehr Menschen für ihre Kritik gewinnen konnten. Als 1985 ein Nachfolger für den verstorbenen Generalsekretär Konstantin Tschernenko gesucht wurde, fiel die Wahl auch aufgrund des Drucks der kritischen Bevölkerung auf den Reformer Michail Gorbatschow, welcher umgehend damit begann, die UdSSR gegenüber dem Westen zu öffnen („Glasnost“) und massiv zu reformieren („Perestroika“): Handelsbeziehungen mit dem westlichen Block wurden eingeleitet, die Sowjetunion löste sich von ihrem vormaligen Machtanspruch, den Aufbau und die Innenpolitik aller sozialistischer Republiken anzuordnen, innerhalb der UdSSR förderte Gorbatschow Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung.

DDR-Führung schottet sich gegen Reformbestrebungen im Ostblock ab

Während andere Ostblockstaaten nun selbst langsam Reformen einleiteten, um der allgegenwärtigen Unzufriedenheit der Bevölkerung entgegenzutreten, verweigerte sich die SED-Führung dem neuen Kurs. Obgleich die DDR der 1980er-Jahre durch massive wirtschaftliche Probleme an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gerät, erhält Regierungschef Erich Honecker die vormalige Politik der Repression und Abschottung aufrecht. Reden und Interviews sowjetischer Funktionäre wurden phasenweise nur verkürzt wiedergegeben. 1988 wurde die deutschsprachige sowjetische Zeitschrift "Sputnik" in der DDR quasi verboten, was auf breite Ablehnung selbst in weiten Teilen der SED-Basis stieß. Dieses Auslassen von Reformpotenzialen sorgte für einen wachsenden Zustrom zu Bürgerrechtsbewegungen innerhalb der ehemaligen DDR.

Von Solidarność bis Tian‘anmen: Neue Bürgerrechtsbewegungen im Ostblock

Die neuen Bürgerrechtsbewegungen innerhalb der DDR konnten auf Vorbilder zurückgreifen, welche bereits im gesamten Ostblock im Verlauf der 80er Jahre entstanden und vor allem in den Jahren 1988/1989 eine Welle des Protests erzeugten. So bildete sich bereits Anfang der 1980er-Jahre in Polen die Gewerkschaft Solidarność, welche die polnische Regierung zu weitreichenden Zugeständnissen zwang und schließlich am Umbau des Landes entscheidend mitwirkte. In den baltischen Staaten kam es zur sogenannten „Singenden Revolution“, als eine mehr als 600 Kilometer lange Menschenkette die Hauptstädte Estlands, Lettlands und Litauens verband und eine eigens dafür angefertigte Hymne sang. Während die Bürgerrechtsbewegungen in Ungarn ihrer Regierung im Sommer des Jahres 1989 ebenfalls Zugeständnisse abringen konnten, die schließlich zur Öffnung der Grenze zu Österreich führten, machten die zeitgleichen Ereignisse in Peking deutlich, dass öffentliche Proteste dennoch mit großer Gefahr für das eigene Leben verbunden waren:

Als sich Demonstrationen, welche von Studenten der Pekinger Universität initiiert wurden, über mehrere Wochen immer mehr ausweiteten, konzentrierte am 4. Juni 1989 die chinesische Regierung ihre Gewaltmittel auf die eigene Bevölkerung und verübte ein Massaker, bei dem über zweihundert Menschen getötet und über 3000 Menschen verletzt wurden. Spätestens als dieses schwere Menschrechtsverbrechen durch die SED-Führung unter der Leitung Honeckers im Anschluss wohlwollend kommentiert wurde, zeichnete sich in der Bevölkerung der DDR das Bewusstsein ab, dass mit einer Reformagenda nicht zu rechnen sei, wohl aber mit der Bereitschaft, Proteste auch durch den Einsatz massiver Gewalt niederzuschlagen.

Gefälschte Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989

Die beschriebene Ausgangslage innerhalb der Ostblockstaaten sorgte für eine immer weiter wachsende Bereitschaft der Menschen innerhalb der DDR, Reformen durch Proteste auf der Straße zu erzwingen, selbst wenn die Angst vor einem gewaltsamen Vorgehen des Staates dauerhaft präsent blieb. Den entscheidende Auslöser für die Massenproteste des Herbstes 1989 stellten schließlich die offensichtlich gefälschten Kommunalwahlen vom 7. Mai dar. Vor der Wahl versuchte das SED-Regime, dem Anspruch demokratischer Wahlen gerecht zu werden. Es wurden unabhängige Wahlbeobachter zugelassen und die Bevölkerung sollte an der Aufstellung der Kandidatenlisten beteiligt werden. Die Vorschläge von Oppositionsgruppen fanden allerdings keine Berücksichtigung auf den Wahlzetteln, sodass zum Boykott der Wahlen bzw. zur Abstimmung mit "Nein" aufgerufen wurde.

Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse wurde schnell deutlich, dass diese manipuliert waren. Oppositionsgruppen kritisieren vehement die Fälschung. Es gab Protestresolutionen, vereinzelte Demonstrationen und Strafanzeigen wegen Wahlfälschung. Diese Aktionen offenbarten das wachsende Selbstbewusstsein der oppositionellen Gruppen. Durch die Berichte westlicher Medien verbreiteten sich diese Meldungen in der DDR und weltweit.