Wir werden nicht frieren müssen

Unter dem Motto „Kalte Heizung – heiße Debatte“ startete in Dresden eine Diskussionsreihe der Landeszentrale zum Konflikt zwischen Energiekrise und angestrebter Energiewende.

 

Der Veranstaltungssaal des Dresdner Stadtmuseums war angenehm geheizt, die Debatte zur Energiekrise hingegen wirkte streckenweise eher unterkühlt als hitzig. Insofern schien das Motto der Veranstaltungsreihe der Landeszentrale für Politische Bildung kopfzustehen, die am 16. Januar begann, am6. Februar in Leipzig und am 6. März in Chemnitz fortgesetzt werden soll. Gleichwohl brachten die fünf Herren und die eine Dame im Podium und das von Männern dominierte Publikum persönliche Erfahrungen und Betroffenheiten ein. Von quälendem Leidensdruck, gar von einem Aufschrei aber war auch angesichts der Preisexplosion bei Energieträgern wenig zu spüren.

Auf die Einstiegsfrage des Moderators Ralf Krüger, ob die Energiepreisbremse der Bundesregierung eine kalte Wohnung verhindere, zog denn auch fast das gesamte Podium die grüne „Ja“-Karte. Sogar einstimmig waren alle überzeugt, dass gestiegene Preise und die Angst vor einem Gas-Vakuum zu Sparbemühungen geführt hätten. Krüger berät mit seiner Agentur unter anderem Energiekonzerne und bewies viel Sachkenntnis.

Es ist nicht alles schlecht an der Energiepolitik der Ampel

Die Runde der ersten Statements offenbarte dann aber schnell die unterschiedlichen Standpunkte der Podiumsgäste, teils quer durch sächsische und Berliner Koalitionen hindurchgehend. Albrecht Pallas, Innenpolitiker der SPD-Landtagsfraktion und im vorigen Mai Oberbürgermeisterkandidat in Dresden, zeigte sich zufrieden, dass die vor wenigen Monaten kursierenden Befürchtungen nicht bestätigt wurden. Das Entlastungspaket 3 der Bundesregierung habe „ein großes Maß an Sicherheit gebracht“. Sein Grünen-Kollege Thomas Löser reflektierte über Veränderungen in seiner Partei, die vor fünf Jahren noch undenkbar gewesen seien. Er räumte Probleme ein, „aber einigen reicht es ja nie“. Löser sieht „keinen Grund, warum diese Energiepolitik nicht ein weiteres Jahr gut gehen sollte“.

Es klang schon fast nach sächsischer Kenia-Koalition, wenn auch Landwirt und Finanzpolitiker Ludwig von Breitenbuch aus der CDU-Landtagsfraktion der Berliner Ampel zubilligte, nicht alles falsch gemacht zu haben. Aber die Gasumlage sei nicht durchdacht gewesen, man habe Zeit verschwendet. „Der Rucksack wird immer schwerer“, warnte Breitenbuch mit Blick auf die hohe Staatsverschuldung, stellte aber auch die soziale Frage, wer eigentlich von derzeit fallen Gaspreisen profitiere.

Der sächsische AfD-Generalsekretär Jan Zwerg stieg auf eine Publikumsfrage ein, ob die steuerfinanzierten Entlastungen zuvor nicht vom Staat den Bürgern per Steuern schon aus der Tasche gezogen wurden. Ja, bestätigte er aus seiner Sicht, und mit den Einnahmen würden dann Almosen verteilt. Albrecht Pallas (SPD) konterte, durch das starke Lohngefälle gebe es eine hohe Zahl von Betroffenen der Energiekrise, die wegen ihres geringen Einkommens gar keine Steuern zahlten. Aber auch AfD-Mann Zwerg glaubt, dass Privathaushalte derzeit mit den Einschränkungen zurechtkommen, drückte nur demonstratives Mitgefühl mit den bei 19 Grad Bürotemperatur frierenden Angestellten aus.

Bei der FDP, konkret bei der Landesvorsitzenden und Lommatzscher Bürgermeisterin Anita Maaß, wurde erwartungsgemäß auch über den Einnahmevorlauf des Staates geklagt. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft lag bislang auch an niedrigen Energiepreisen, und bei deren Wiederherstellung durch staatliche Förderung hätte sich Frau Maaß weniger Gießkannenprinzip gewünscht. Für den jungen Landtagsabgeordneten Marco Böhme von der Linken schließlich kamen die Stützungsmaßnahmen viel zu spät. Schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine seien Preissteigerungen von Strom aus fossilen Energieträgern absehbar gewesen.

Sorgen Kohle- und Atomstrom für eine „Preisberuhigung“?

Welche Strategien können unseren weiterhin wachsenden Energiebedarf in Zukunft sichern? Diskutiert wurde zunächst über konventionelle Quellen, sofern man die seit fast sieben Jahrzehnten etablierte Stromerzeugung aus Kernenergie dazu zählt. Ludwig von Breitenbuch nannte den 15. April dieses Jahres den „Tag der Wahrheit“, wenn die Laufzeitverlängerung für die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke endet. Sie sollten am Netz verbleiben, „bis sich die Preise beruhigt haben“. Worauf später der Hinweis von Albrecht Pallas folgte, dass diese drei Kraftwerke nur noch einen Anteil von sechs Prozent an der deutschen Elektroenergieerzeugung haben.

„Wie will man Lippendorf ersetzen?“, fragte Breitenbuch außerdem. Nicht nur, weil das Braunkohlekraftwerk südlich von Leipzig in seinem Wahlkreis liegt, sondern auch wegen der Grundlast- und Pufferfunktion kontinuierlich arbeitender Kohlekraftwerke. Anita Maaß pflichtete ihm bei und verwies auf fehlende Speichermedien großer Kapazität. Hier drängt sich die Frage auf, warum hat der Vattenfall-Konzern das Pumpspeicherwerk Niederwartha bei Dresden nicht wieder instand gesetzt? Diese Puffertechnik ist zwar aufwändig, aber wirksam. In Thüringen arbeitet mit dem Kraftwerk Goldisthal seit 2003 das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands. Mehr als ein Gigawatt Leistung können binnen hundert Sekunden mobilisiert werden und garantieren Netzstabilität.

Marco Böhme von der Linken konterte seinen CDU-Abgeordnetenkollegen Breitenbuch mit der Feststellung, dass die Bundesrepublik mit Abstand der größte Stromexporteur in Europa sei und Lippendorf gerade in diesen Januartagen abgeschaltet bleibt, weil sein Strom nicht benötigt werde. Ein bekennender Anhänger der Fridays-for-future-Bewegung aus dem Publikum wiederholte daraufhin, dass sich die Kohleverstromung kaum noch rechne. Die von den Konservativen erneut in Spiel gebrachte CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid würde ihn weiter verteuern. Forschungen dazu stagnieren bekanntlich seit vielen Jahren, in Ostdeutschland ist die Suche nach geeigneten Lagerstätten aufgegeben worden.

Die nachfolgende Debatte um CO²-Zertifikate und das Zustandekommen von Strompreisen an der Börse blieb wenig fruchtbar. Der Satz von AfD-Generalsekretär Zwerg traf es wohl: „Wenn CO²-Neutralität das einzige Ziel ist, dann ist die Diskussion zu Ende.“ Sozialdemokrat Pallas mahnte am Ende dieses Teilthemas mehr Ruhe und Differenzierung an und erinnerte daran, dass die akute Energiekrise eine Folge der russischen Aggression sei. Was freilich die Relevanz der grundsätzlichen Versorgungsfragen nicht verdrängt.

Die Lommatzscher Bürgermeisterin Maaß überraschte eingangs dieser Diskussionsphase mit dem Appell, allgemein keine Ängste vor jeglichen Energieformen zu schüren. „Alle Energiemaßnahmen führen zu Protesten, weil sich etwas ändert“, bemerkte sie. Sie fragt sich allerdings auch, warum man fünfzig Jahre für die Suche nach einem Atommüllendlager benötige. Und mit der Festlegungsoption für Mindestabstände von Windrädern zu Wohnsiedlungen werde die Verantwortung nach unten zu den Kommunen abgeschoben.

Vielfalt und Technologieoffenheit

Werden erneuerbare Energien in absehbarer Zeit unser Versorgungsproblem lösen? Mit Ausnahme des AfD-Vertreters zogen alle Podiumsgäste die grüne „Ja“-Karte. Eine große Mehrheit war trotz des russischen Totalausfalls davon überzeugt, dass Gaskraftwerke die kohlebetriebenen ersetzen können. Dem Wasserstoff traut man aber keine stabilisierende Wirkung zu.

Ludwig von Breitenbuch von der Union pflichtete ihr im Wesentlichen bei, favorisierte die Abstandsregelung von einem Kilometer. Technologieoffenheit bedeutet für ihn, der Atomkraft ebenso wie Biogas oder Holz nicht die Tür zuzuschlagen. Die bekannten Menetekel der AfD wiederholte Jan Zwerg. Angesichts des geringen Anteils Deutschlands an den Weltemissionen müsse man sich vom Ziel einer kohlendioxidfreien Energieerzeugung verabschieden. „Wir setzen unseren Wohlstand aufs Spiel“, warnte Zwerg. „Der erweiterte Strombedarf ist nicht mit Erneuerbaren zu decken!“

Die Positionen des anderen „Lagers“ schwankten zwischen Pathos und nüchterner Argumentation. „Warum soll das starke Deutschland nicht vorangehen?“, fragte Albrecht Pallas. Marco Böhme verwies auf den überproportionalen deutschen CO²-Emissionsanteil und auf Studien, die eine Machbarkeit der Energiewende belegen. Auch die Atomenergie zahle etwa beim Uranabbau einen Umweltpreis.

Ein versöhnlicher Schluss

Noch einmal landete man dann bei polemischen Tönen, als die unterschiedlichen Positionen zur Zukunft der Energieversorgung gegenseitig als Ideologie denunziert wurden. Spätere Generationen würden sich bei der Erinnerung an Tagebaue an den Kopf greifen und denken „die waren nicht ganz dicht“, spitzte Thomas Löser von den Grünen zu. Die zweistündige Diskussion aber klang freundlicher aus.

An die Fähigkeit zur Vernunft appellierte beispielsweise Anita Maaß. Ihr ist sehr wohl bewusst, dass stets auch politische Interessen im Spiel sind. Gerade deshalb warb sie um „Vertrauen in staatliche und wissenschaftliche Institute“. Sie sprach damit einen Dauerkonflikt zwischen Fachkompetenz und individuellen Betroffenheiten der Bürger an, der nur durch Kompromisse zu lösen ist. Albrecht Pallas und Thomas Löser wollen selbstverständlich die Bürger mitnehmen, bei Windkraft „die Dorfbewohner beteiligen“. Mit seinem Schlusssatz pointierte Moderator Ralf Krüger: „Energiepolitik wird immer den Stimmungen in der Bevölkerung folgen!“

Termine der Diskussionsreihe Kalte Heizung – heiße Debatte:

16. Januar, 19:00 Uhr in Dresden mit: Marco Böhme (Die Linke), Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU), Thomas Löser (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Dr. Anita Maaß (FDP), Albrecht Pallas (SPD) und Jan Zwerg (AfD)

6. Februar, 19:00 Uhr in Leipzig mit: Marco Böhme (Die Linke), Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU), Daniel Gerber (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Henning Homann (SPD) , Dr. Anita Maaß (FDP) und Jan Zwerg (AfD)

6. März, 19:00 Uhr in Chemnitz mit: Marco Böhme (Die Linke), Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU), Bernhard Herrmann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Dr. Anita Maaß (FDP), Detlef Müller (SPD) und Jan Zwerg (AfD)