"Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben"

Den 6. Hubertusburger Friedenspreis in der Kategorie der 15- bis 18-Jährigen gewann am 18. September 2020 Elisa Liebscher vom evangelischen Gymnasium Lernwelten in Großdeuben. In ihrer Dankesrede sprach die 16-Jährige von der Aufgabe und den Möglichkeiten jedes Einzelnen, sich für Frieden und Miteinander einzusetzen.

"Wenige Tage vor Einsendeschluss habe ich in der Zeitung vom Friedenspreis gelesen und mich kurzer Hand dazu entschlossen, daran teilzunehmen. Also habe ich den sogenannten „Frei-day“ meiner Schule in der Coronazeit genutzt, an dem sich die Schüler*innen mit Themen ihrer Wahl beschäftigen konnten, um ein kleines Kunstwerk erschaffen und meinen Gedanken Ausdruck verleihen.

Ich habe mich gefragt, ob ich Frieden, Weltfrieden überhaupt in irgendeiner Weise beeinflussen kann. Ich habe an Politiker und Politikerinnen gedacht, die große Entscheidungen treffen. Entscheidungen über Krieg und Frieden. Entscheidungen, die viele Menschen, die Natur schwerwiegend beeinflussen. Entscheidungen, auf die ICH keinerlei Einfluss nehmen kann. Und wie es so ist – wenn man einmal über Konflikte nachdenkt, tauchen plötzlich Klimakrise, soziale Ungerechtigkeit, Armut, Flüchtlingsströme und viele weitere Themen im Kopf auf.

Aber was hat das mit Frieden zu tun und was bedeutet Frieden eigentlich? Tendenziell denken wir an negativen Frieden – also die Abwesenheit von Kriegen und großen Konflikten. Aber reicht das, um wirklich von Frieden zu sprechen?

Was Frieden ist

Ich denke mal an ein aktuelles Thema. Oder ist es vielleicht gar nicht sooo aktuell? Ich denke an Moria. Das sagt Ihnen bestimmt etwas – „Die Hölle von Moria“, eines von mehreren griechischen Flüchtlingslagern, dieses auf der Insel Lesbos, welches vor einigen Tagen abgebrannt ist. "Die Hölle von Moria" wurde es nicht umsonst genannt, in dem Lager lebten viel mehr Menschen, als eigentlich geplant, unter menschenverachtenden Umständen.

Zu wissen, wie gut es uns geht, in welchem Frieden wir leben dürfen und parallel dazu zu sehen, unter welchen Umständen andere Menschen leben oder sterben. Ist das Frieden? Ist das unsere Vorstellung von friedvollem Zusammenleben, ist es vielleicht eher ein Auseinanderleben? Wie kann man da wegschauen? Das ist Glück und Grausamkeit zu gleich, das sind unvorstellbare Parallelwelten. Wieso ist es so schwer, zu helfen? Ist es wirklich schwer zu helfen? Und wieso haben wir dann die Konflikte, obwohl wir nur Menschen helfen wollen, die in viel größeren Konflikten stecken. Denen es um Leben und Tod geht.

Ich denke an Pegida Demos, an Menschen, die Angst haben und gegen Weltoffenheit auf die Straße gehen. Die Angst haben, die Aufnahme schutzbedürftiger Menschen in Deutschland könnte unseren Frieden bedrohen. Um diesbezüglichen großen Konflikten und einer krassen Spaltung der Gesellschaft aus dem Weg zu gehen, versuchen wir häufig, Kompromisse zu finden, die unseren Frieden wahren sollen, aber tun sie das wirklich? Hier kommen meine Gedanken an einen schwierigen Punkt.

Weil es mir manchmal so vorkommt, als hätten alle Konflikte untereinander und irgendwie Angst – mal hart gesagt: die Rechten haben Angst, dass die Migrant*innen sie verprügeln, die Linken und Migrant*innen haben Angst, dass die Rechten sie verprügeln, die, die sich als politische Mitte sehen, haben Angst vor allen Extremen.  Und ich traue mich nicht mal mehr, Zuhause eine "refugees welcome"- Flagge ans Haus zu hängen, weil ja ein Stein durchs Fenster fliegen könnte. Ist das noch der Frieden, in dem wir leben wollen? Und wenn nicht, wie können wir das ändern?

Dinge verändern und mitwirken

Ich habe das Flüchtlingsthema gewählt, weil es mir sehr am Herzen liegt. Ich hätte auch auf andere Themen eingehen können – Umweltschutz, Wandel der Gesellschaft, Ausbeutung, internationale Beziehungen... Es gibt immer große Entscheidungen, auf die man als einzelner Mensch keinen Einfluss hat. Aber wir sollten nicht unterschätzen, welche Auswirkung auch einzelne Menschen auf ein friedliches Zusammenleben haben – ob im Kleinen oder im Großen. Denn Frieden gibt es auf vielen Ebenen und jede und jeder kann ein Stück zu diesem Frieden beitragen oder eben nicht.

Diese Gedanken haben mich dazu gebracht, genau diese Art der Darstellung für meinen Beitrag zu wählen. Denn das Gefühl, keinen Einfluss auf Frieden zu haben, ist für  mich ein ziemlich schlechtes. Aber dieses Gefühl ist trügerisch. Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben – es läuft definitiv nicht alles zufriedenstellend – aber wir können uns eben auf unterschiedlichen Ebenen einbringen. So engagiere ich mich seit vielen Jahren aktiv in der Schülervertretung – was unter keinen Umständen ein frustrationsloser Bereich ist – um Dinge verändern und mitwirken zu können.

Wir können in Parteien und Organisationen eintreten, die sich für gute Dinge einsetzen. Für Umweltschutz, für die Integration von Geflüchteten, für Hilfsaktionen in anderen Regionen der Erde, für Toleranz, für ein respektvolles Miteinander der Menschen und mit der Natur. Aber wir können auch in unserem direkten Umfeld selbst aktiv werden. Wir können Streitschlichter*innen in der Schule sein, können obdachlosen Menschen spenden, können Paten einer geflohenen Familie werden, können demonstrieren, nachhaltig konsumieren, darauf achten, unter welchen Bedingungen die Kleidung, die wir kaufen, produziert wird oder mit Menschen diskutieren, die andere Ansichten haben.

Toleranz, Miteinander, Verständnis, Akzeptanz

Die Liste ließe sich noch lange weiterführen und so wird für mich Eines schnell sichtbar: Wenn jedem Menschen an friedlichem Umgang gelegen ist, ist es einfacher, uns gemeinsam für Frieden einzusetzen. So können wir uns Stück für Stück für Toleranz, Miteinander, Verständnis, Akzeptanz und gemeinsame Bewältigung von Konflikten und Problemen engagieren. Für einen Weltfrieden – zwischen den Menschen und auch mit der Natur.

So schwer es manchmal sein mag, das Positive zu sehen, mit Optimismus an Konflikte heranzugehen, die viel zu komplex oder entfernt erscheinen. Es ist die einzige Möglichkeit, diese zu lösen. Und das sollte unser aller Ziel sein. In jeder Situation sollten wir uns für ein friedliches Miteinander auf allen Ebenen einsetzen oder es zumindest versuchen!

Dankeschön."