Partnerkonferenz 2019 - Unterstützungs- und Vernetzungsbedarf bei den Partnern Politischer Bildung

Unsere Partnerkonferenz zeichnete ein geteiltes Bild politischer Partizipation in Sachsen.

Eine Landeszentrale für Politische Bildung trägt diese Bezeichnung nicht von ungefähr. Sie bliebe als Zentrale in Ihrer Wirkung beschränkt, gäbe es die zahlreichen Multiplikatoren der politischen Bildung und des bürgerschaftlichen Engagements nicht. Diese Wechselwirkung mit den Partnern wird einmal im Jahr besonders gepflegt und besprochen – auf der Partnerkonferenz. In diesem Jahr fand sie am 13. Juni auf St. Afra und in der benachbarten Evangelischen Akademie zu Meißen statt. Direktor Roland Löffler bedankte sich denn auch gleich zur Begrüßung bei allen Institutionen und Vereinen, „die der Landeszentrale helfen“.

Kulturvoller Streit mit Gegnern, nicht mit Feinden

Doch die helfen nicht etwa dabei, einseitig und missionarisch Wahrheiten zu verkünden. Demokratie lebt durch den kulturvollen Streit, wie Löffler betonte, mit Gegnern, nicht mit Feinden. Auf die politische Partizipation, auf die Einmischung der Bürger in ihre eigenen Angelegenheiten also kommt es an, und deren Beförderung war Thema dieser Partnerkonferenz. Denn diese Partizipation steckt in der Krise oder zeigt zumindest höchst ambivalente Seiten.

Auch in dieser Hinsicht kann man von einer gespaltenen Gesellschaft sprechen. Ein Teil engagiert sich leidenschaftlich, verschleißt sich geradezu, andere resignieren und motzen am Stammtisch oder in der Wahlkabine. „Ein erheblicher Teil der Bevölkerung hat keine Selbstwirksamkeitserfahrungen“, diagnostizierte der Direktor gleich eingangs. Gemeint ist die Haltung, man können nichts bewirken, es wer-de ohnehin über den eigenen Kopf hinweg entschieden.

Kein dringender Gesprächsbedarf?

Etwas mehr hatten sich die Organisatoren und zahlreichen Aktiven der Landeszentrale wohl vom Exposé mit den Partnern versprochen. In der Aula des Landesgymnasiums St. Afra sollten sie eingangs in einem Fishbowl selber äußern, was sie gern verhandelt hätten. Die Resonanz blieb unter den Erwartungen.

Susanne Hartzsch-Trauer vom Zwickauer Projekt „Engagierte Stadt“ riss aber ein Generalthema an, das sich insbesondere in den Vorträgen der beiden Hauptreferenten noch mehrfach im Verlauf der Konferenz widerspiegelte. Rückblickend konstatierte sie für das erste Jahrzehnt nach 1990 mehr aus der Bürgerbewegung herrührende Gemeinsamkeit. Es habe aber eine zunehmende Abgrenzungstendenz einzelner Initiativen, ein Streben nach Alleinstellungsmerkmalen eingesetzt. Roland Löffler räumte daraufhin ein, dass die Sektoren der Politischen Bildung in Sachsen zwar funktionierten, aber als zu „ver-säult“ empfunden würden, zu wenig Kontakt untereinander pflegten. Dies gelte es aufzubrechen.

Andere Redner wiesen auf die Schwierigkeit hin, ehrenamtliche Kommunalpolitiker zu gewinnen. Kontinuierliche Ratsarbeit sei vielen zu anstrengend, noch weniger im Dienst von Parteien, die alle ein „schmuddliges Image“ genössen. Die Freien Wähler profitierten vorläufig noch davon, von diesem Stigma frei zu sein.

Die repräsentative Demokratie sei nun einmal notwendig auch eine Parteiendemokratie gab, Direktor Löffler zu bedenken. Der Meinungsbildungsprozess gehe aber selbstverständlich weit über die Parteien hinaus. Die Rolle der Parteien bei der Partizipation aller Bürger erschien offenbar auch anderen Teilnehmern als ein wichtiges Feld der Aufklärung und Bildungsarbeit. Eine Vertreterin des Kultusministeriums plädierte für mehr Elternfortbildung an Schulen. Die zunehmend engagierten Schüler können nicht durchweg als parteifern gelten, meinte Christian Kurzke, Studienleiter Jugend an der Evangelischen Akademie Meißen. Sie stellten aber eine besondere Herausforderung an Politiker dar, sich „nahbar“ zu zeigen.

Vom Altruismus zum Individualismus im Ehrenamt Als ausgesprochen erhellend erwiesen sich die beiden Hauptvorträge zu politischer Partizipation. Verweist doch die Staatsregierung gern auf die tragende Rolle des Ehrenamtes, auf die stabilisierende Wirkung vermeintlich uneigennützigen Engagements, das die hauptamtlichen Kräfte selbstverständlich auch entlastet. Ins Landeswahlprogramm der CDU ist zusätzlich noch die Gründung einer Stiftung Ehrenamt aufgenommen worden, die zentral Förderung, Fortbildung und Vernetzung koordinieren soll.

Doch welches Ehrenamt ist gemeint? Der Soziologe Prof. Sebastian Braun von der Humboldt-Universität Berlin stellte treffend die Veränderungen des Bürgerengagements dar, nämlich hin zu einer Konzentration auf das Individuum. War das „alte Ehrenamt“ noch von weltanschaulicher und dauerhafter Bindung an Milieus geprägt, tendiert es heute zu einem befristeten und programmatischen Engagement. Wenn auch insgesamt ein Anstieg zu verzeichnen ist, steht dem doch eine Pluralisierung und Individualisierung gegenüber. Aus einem Element alltäglicher Lebensführung sind biografisch passende Episoden geworden.

Das Ehrenamt folgt dem Zeitgeist

Das Ehrenamt folgt dem Zeitgeist, wenn altruistische Beweggründe von der Selbstsuche und Selbstfindung, vom Streben nach sinnstiften-den Tätigkeiten abgelöst werden. Die Perspektive ist also eine mehr utilitaristische geworden, das bürgerliche Engagement wird als Bestandteil der Bildungs- und Erwerbsbiografie im Sinne des Kompetenzerwerbs gesehen. Entsprechend steigen Erwartungen an eine Honorierung, eine zunehmende Professionalisierung ist die Folge.

Prof. Braun stellte dieser Ich-Perspektive aber auch die Wir-Perspektive gegenüber, die beide nicht zwangsläufig im Widerspruch stehen müssen. Beim politischen Engagement sei dieser „Homo democraticus“ jenseits des persönlichen Nutzenkalküls sehr wichtig im „alltäglichen Nahraum der Demokratie“. Er halte die Verbindung zum sich tendenziell verselbständigenden politischen System. In diesem Zusammenhang wirkte der Begriff von der „Schule der Demokratie“ nicht abgedroschen. Denn ohne Gemeinschaft und gesellschaftliche Solidarität gibt es keine handlungsfähige Bürgergesellschaft.

Forschungsorientiert und eher theoretisch äußerte sich die promovierte Politikwissenschaftlerin Cathleen Bochmann-Kirst von der TU Dresden. Unter welchen Voraussetzungen kann politische Partizipation gelingen? „Die Strukturen müssen zu den Motiven und Bedürfnissen der Bürger passen“, sagte sie allgemein. Gemeint sind beispielsweise Präventionsformate oder solche für den Konfliktfall, solche in deeskalierender oder eskalierender Absicht bei Demonstrationen etwa.

Aufschlussreich kommentierte die Politikwissenschaftlerin die Rufe nach mehr direkter Demokratie. „Sie kann auch negative Systemwirkungen haben“, gab Frau Bochmann-Kirst zu bedenken. Wenn gegen den Willen der politisch Verantwortlichen entschieden werde, stelle sich die Frage, ob dann „das Volk“ die Verantwortung für die Folgen übernehme. Der von der sächsischen Union und Ministerpräsident Kretschmer vorgeschlagene „Volkseinwand“, also die nachträgliche Überprüfung von parlamentarisch beschlossenen Gesetzen, ist als „Referendumsdemokratie“ bereits bekannt. In der viel gepriesenen Schweiz verlangsamt die Volksgesetzgebung jedenfalls Entscheidungsprozesse erheblich.

Gemischte Eindrücke aus den Regionen

Ein gemischtes, aber ehrliches Bild zeigten die nachmittäglichen Workshops zu verschiedenen Aspekten und Feldern bürgerschaftlicher Mitwirkung. Vorbildliche Beispiele wie der Dresdner Bürgerstiftung standen neben Berichten beispielsweise aus der Flüchtlingsarbeit, dass das Freiwilligenengagement zugunsten der Professionalisierung bei-nahe zusammengebrochen sei. „Viele wissen nicht, wie sie sich engagieren sollen“, hieß es in dem auf die Landesförderung bezogenen Kreis. „Die Fördertöpfe sind da, warum geht es nicht voran?“, fragte Direktor Roland Löffler in die Runde.

Wenig umstritten blieben Forderungen wie „Demokratie braucht Inklusion“ in der Gruppe, die sich mit zum Zugang Behinderter zur politischen Teilhabe befasste. Es gehe nicht immer nur um das „Höher, schneller, weiter“. Der MDR konnte hier für seine Barrierefreiheit ein Lob einstecken.

Wie Demokratie und Wahlkampf funktionieren

Mit rund 25 Teilnehmern gut besucht war der Workshop zum erfreulichen Engagement Jugendlicher, das in der „Fridays for future“-Bewegung ein Sprachrohr gefunden hat. Auch wenn die Zielgruppe kaum vertreten war, waren es doch ihre Lehrer, die Treffendes bemerkten. Vertreten sind in dieser Bewegung nicht nur die ohnehin Engagierten, sondern eine breitere Klientel, die ihre Demokratieskepsis überwindet. Sie machten Erwachsenen vor, wie Demokratie und Wahlkampf funktionieren können, wobei es Lehrern schwer falle zu akzeptieren, dass die Initiative nicht von ihnen ausging. Ins Spiel gebracht wurde die Anregung, jungen Leuten Geld für eigene Projekte in die Hand zu geben. Nach aller Erfahrung rechtfertigten sie dieses Vertrauen, gingen erstaunlich verantwortungsbewusst damit um.

Nur sechs Teilnehmer zählte der Workshop zu den Mitwirkungsmöglichkeiten in Personalvertretungen. Der einst so populäre Begriff „Sozialpartnerschaft“ sei kaum noch geläufig, gab es Erklärungsversuche, werde auch in den Lehrplänen der Schule nicht vermittelt. Einmal mehr tauchte hier die Forderung nach einem Bildungsfreistellungsgesetz endlich auch in Sachsen auf.

Mit Abstand die meisten Teilnehmer interessierten sich für die Ländlichen Räume. Städte seien meist zu elaboriert, auf dem Lande gehe es viel direkter zu, sei der Leidensdruck größer, hieß es. Man müsse niedrigschwellige Angebote schaffen, aber den mitleidigen Gestus mit den vermeintlich Abgehängten vermeiden! Solche Diskriminierungsempfindungen würden sogar schon für Chemnitz gelten. Großstädter, die zunehmend in die Dörfer des Umlands ausweichen, integrierten und engagierten sich als Eigenheimbauer aber schlecht, wurde beobachtet. Und die Kehrseite des dörflichen Gemeinschaftsgefühls sei der Konformitätsdruck, der nicht nur Andersartige tendenziell aus-grenze, sondern auch ein Zusammenleben mit bestimmenden Nazistrukturen verlange.

Euphorisiert fuhr man nach dem kurzen Schlussplenum nicht in die verschiedenen Landesteile nach Hause. Politische Bildung wird als eine gemeinschaftliche und also verbindende Aufgabe empfunden, aber die Vernetzung untereinander bleibt als unerledigte Aufgabe bestehen. Hoffnungen richten sich dabei auf die Landeszentrale eben als Zentrale. „Gut, dass es so etwas noch gibt“, entfuhr es einem Teilnehmer.

Der Autor Michael Bartsch ist freiberuflicher Journalist und Autor, u.a. für die taz und den MDR-Hörfunk