Hallo Brüssel, Teil 3 - Ein typischer Arbeitstag

Salut! Das ist Französisch und bedeutet „Hallo“. In diesem Sinne: Salut in die Heimat. Gestern erreichte mich eine Frage per Email, wie ein typischer Arbeitstag hier in Brüssel für mich aussieht. Die Antwort ist relativ einfach: nahezu genauso wie in Dresden an der SLpB. Gut, einige Unterschiede gibt es schon. Aber was die Schwerpunkte und Tätigkeiten betrifft, gibt es eher mehr Ähnlichkeiten.

Mein Wecker klingelt in diesen Tagen immer viel zu spät – ich bin meistens schon vorher wach und frühstücke ausgiebig. Ein Luxus, der mir in Dresden leider nur sehr selten gegönnt ist. Und um es gleich vorweg zu nehmen – nein, zum Frühstück gibt es keine Pommes. Ganz stilecht gibt es hier pain gris (eine Art dunkles oder Vollkornbrot) mit Käse (natürlich belgischer) oder manchmal mit Hagelslag. Manches Mal gibt es auch einfach nur ’nen Apfel und ein Frühstücksei, Tee oder Kaffee. Je nachdem, wonach mir gerade der Sinn steht.

Dann irgendwann heißt es Tasche packen. Das heißt bei mir wild durch die Wohnung stürzen, alles in die Tasche pfeffern (Stifte, Notizbuch, Geldbörse und Handy), Schlüssel links und Kamera rechts grabschen, Jacke vom Haken reißen und zur Tür raus. Dauert keine Minute. Es schließen sich 2 Minuten Fußweg zur Métro an und spätestens am Bahnsteig beginnt das große Drängeln.

Rush Hour in der Métro

Meine einzige Referenz für überfüllte Verkehrsmittel ist die Linie 61 in Dresden Richtung Campus, dienstags, gegen 13:00 Uhr. Et voilà – so in etwa muss man sich das hier vorstellen. Alternativ können Sie sich auch vorstellen, Sie fahren mit der Straßenbahn in die Innenstadt in der Adventszeit…

Was aber im Vergleich zu Sachsen auffällt ist, dass sehr viele Menschen in der Métro lesen. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass es hier eine kostenfreie Métro-Zeitung gibt. Sie erscheint jeden Tag (außer am Wochenende und in den Schulferien) und liegt in so ziemlich jeder Station zur Mitnahme aus. Und, die Métro-Zeitung wird sehr gut angenommen. Neulich beobachtete ich, wie ein etwas älterer Herr die flämische/niederländische Ausgabe geradezu verschmähte und sich aufregte, dass die französischsprachige Ausgabe bereits vergriffen war… Dazu muss gesagt werden, dass die beiden Ausgaben NICHT identisch sind. Wenn man sich also mit den Unterschieden in Denkweise und Mentalität zwischen Wallonen und Flamen hier in Brüssel beschäftigen will, ist die Métro-Zeitung ein sehr interessanter Ausgangspunkt.

An der Haltestelle Arts Lois/ Kunstwet steige ich um und fahre Richtung Kommission weiter. Meine Fahrt endet am Rond Schuman. Moment mal, SCHUMAN… da war doch was…

Ein großer Europäer

Ganz genau. Robert Schuman, der in seiner berühmten Rede, die auch als die Schuman-Erklärung bekannt ist, vom 9. Mai 1950 vorschlug, eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (die EGKS) zu schaffen. Man bedenke, 1950 war das Ende des Zweiten Weltkrieges gerade einmal 5 Jahre her. Und zwischen politischer Erneuerung, Stabilisierung und (Wieder-) Aufbau, spricht ein einzelner Mensch davon, dass die Länder Europas Frieden am ehesten sichern könnten, wenn sie ihre Güter teilen und Ressourcen gemeinsam nutzen.

Leider waren nicht alle von dieser Idee begeistert und Robert Schuman musste 1952 vom Amt des französischen Außenministers zurück treten. Doch Schuman, dessen Biografie zahlreiche Hinweise auf christliches Menschenbild und entsprechend orientiertes Handeln aufweist, gab nicht auf. Unermüdlich warb er für die Idee einer Gemeinschaft der Länder Europas, beteiligte sich an der Verfassung der Straßburger Konvention für Menschenrechte und erörterte in zahlreichen  Vorträgen die Bedeutung bürgerlicher Freiheiten.

Schließlich wurde Schuman Justizminister und darauf folgte dann nach Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 die Wahl Schumans zum 1. Präsidenten des Europäischen Parlamentes.

 

Immer etwas los

Puh. Ein etwas größerer Exkurs – aber wichtig. Also rund um den Schuman Rond befinden sich zahlreiche europäische Institutionen – allen voran natürlich die Kommissionsgebäude, das Ratsgebäude; von hier liegt das Parlament nur ca. 15 Minuten zu Fuß entfernt; und, natürlich ist ganz in der Nähe auch das Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel.

Im Büro selbst heißt es erst einmal Emails sichten, Anrufbeantworter abhören, Nachrichten aus dem Postfach überfliegen und ggf. anrufen. Dann folgt meist die Lektüre des Pressespiegels und dann fliegen zumeist weitere Emails mit Einladungen im Stundentakt ein. Irgendwo ist in Brüssel immer etwas los.

Wie zum Beispiel heute. Termin in der StäV, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel. Geladen hatte Herr Botschafter Dr. Eckart Cuntz zum Informations- und Koordinierungsgespräch anlässlich des Gedenkens an den Ersten Weltkriegs. Dieser hat in Belgien einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.

Neuigkeiten für den Botschafter

In die StäV kommt man natürlich nicht so ohne Weiteres hinein. Man musste sich vorher zum Gespräch rückmelden. Dann wurden am Eingang auch die Personalien kontrolliert und eine sehr nette, aber sichtlich aufgeregte Praktikantin wies mir den Weg zum Besprechungsraum, in dem bereits weitere Teilnehmer saßen.

Es war ein sehr konstruktives Gespräch. Allerdings, und das muss man mal selbstkritisch anmerken, war den dort versammelten Vertretern deutscher Einrichtungen und Organisationen das Prinzip der Landeszentralen für politische Bildung nahezu unbekannt. Das ist natürlich weniger schön und so verteilte ich viele Visitenkärtchen und erklärte kurz unsere Aufgaben. Großes Staunen. Ich bin mir sicher, da kommt noch etwas…

Zwischen 12.30 und 14.00 gehe ich gewöhnlich zum Place Jourdan. Nein, nicht wegen der Pommes. Einfach, weil es ein sehr schöner Spaziergang ist, der mich an zahlreichen Eetcafés vorbeiführt.

Lesen, reden, schreiben, nachfragen

Und dann geht’s wieder frisch ans Werk – entweder im Büro oder einem weiteren Termin, der natürlich in aller Kürze protokolliert wird. Generell werden von den Terminen Gesprächsnotizen angefertigt und im Kollegenkreis weiter gegeben. Relevante Informationen werden z. B. über die „Woche in Brüssel“ nach Sachsen getragen. Zudem gibt es noch einen weiteren Newsletter, den „Bericht aus Brüssel“, der allerdings den Leitungsebenen der Ministerien vorbehalten ist.

Im Prinzip war’s das schon. Um es zusammen zu fassen: lesen, reden, schreiben, nachfragen. Manchmal mehrsprachig, manchmal nur in einer Sprache. Wichtig ist dabei, stets diplomatisch zu sein, sich selbst zurück zu nehmen und moderat aufzutreten. Moderat sowohl in Sprache als auch in Wort und Tun. Sich ans politische Protokoll zu halten und am Ende noch einmal zusammen zu fassen.

Das ist ein bisschen wie aktives Zuhören – und das war glücklicherweise Bestandteil meiner Ausbildung. Dabei ist es auch wichtig, auf die kleinen Dinge zu achten und genau zu beobachten – Mimik, Gesten, Zwischentöne etc. Das schreibt sich alles so leicht von Hand, ist aber in der Realität gar nicht so einfach umzusetzen. Denn man muss 1) authentisch bleiben und 2) dem anderen das Gefühl geben, willkommen zu sein und 3) muss man sich darüber im Klaren sein, dass man selbst mindestens genauso beobachtet wird. Da hilft manchmal schon ein kleines Lächeln oder der vielbesagte Small Talk, um das Eis zu brechen.

Der Feierabend kommt dann auch irgendwann – je nachdem, ob noch ein Termin ansteht oder nicht. Und dann, abends, zu später Stunde, falle ich entweder ins Bett, recherchiere für den nächsten Videoclip oder schreibe bereits am nächsten Blogeintrag.

Tot ziens!