Ein Bon für jeden Ouzo

Vor ein paar Woche schrieb Giorgos Christides, gebürtiger Grieche, im SPIEGEL über die Steuermoral seiner Landsleute. Er wollte beim Heimaturlaub testen, ob diese durch die wirtschaftliche Krise beeinflusst wurde. Die gleiche Frage stellte sich der SLpB-Mitarbeiter Thomas Platz bei einer Griechenlandreise im Oktober. Ein kleine Erhebung zur griechischen Steuermoral.

Zehn Milliarden hinterzogen

Christides beschrieb, dass sein Wunsch nach Quittungen in den besten Fällen belächelt wurde, meist gab es richtig Ärger. „Als Grieche weiß ich nur zu gut, dass kaum ein Satz in meinem Land mehr Unmut und Belustigung auslöst als dieser: ,Ich hätte gern einen Beleg.‘ Für den durchschnittlichen griechischen Selbstständigen ist dieses Stück Papier ein Gräuel.“

Christides rechnete vor, dass dem griechischen Staat jährlich zehn Milliarden Euro durch hinterzogene Mehrwertsteuer entgehen, das sind etwa fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleitung des Landes. Das schonungslose Fazit seines Berichtes: Will man sich den Griechenland-Urlaub richtig verderben, muss man nur nach Quittungen fragen.

Im Eldorado für Steuersünder?

Die letzen zwei Wochen war ich auch in Griechenland, den SPIEGEL-Bericht hatte ich im Hinterkopf. Sollte ich mich auch einmal trauen und nach einer Quittung fragen?

Nach all den Berichten und Diskussionen um Griechenlands wirtschaftliche Situation, stellte ich mir auf dem Flug nach Athen schon die Frage, ob Griechenland wirklich das berüchtigte Eldorado für Steuersünder sei? Diese Frage ist so klischeebelastet, dass ich sie nicht subjektiv beantworten will und auch nicht kann. Egal zu welchem Urteil ich käme, entweder verfiele ich dem Vorurteil von den steuerfaulen Griechen oder ich gälte als unverbesserlicher Griechenlandfreund. Hier ist eine wissenschaftliche Methodik angebracht. Das Ergebnis muss hieb- und stichfest sein.

Der Untersuchungsaufbau ist ganz simpel. Ich habe alle Einkäufe registriert. 94 mal musste ich das Portemonnaie zücken. Mal war es ein Einkauf im Supermarkt, eine Hotelrechnung oder eine Tüte Nüsse. Wenn ich Quittungen bekamen – ich habe nicht danach gefragt – habe ich sie gesammelt. Abends wurden alle Einkäufe zusammengezählt und die erhaltenen Bons daneben gelegt.

Kein Tag ohne Quittung

Quittung gab es fast immer bei Verkäufern mit institutionellem Charakter, zum Beispiel an der Mautstation oder im Museum (100 Prozent). Da werden alle Kundenkontakte durch Angestellte mit Computer abgewickelt – keine Chance zum schummeln. Anders in kleinen Läden oder bei Straßenhändlern. Da fehlt schlicht die technische Ausstattung für Bons. Und so wurden 60 Prozent der Einkäufe bei kleinen Händler ohne Quittungen abgewickelt. Es passierte aber auch, dass es beim tanken oder im Supermarkt keine Quittung gab.

Ordnung in den Tavernen

Besonders berüchtigt sind Griechenlands Gastwirte. Böse Zungen behaupten die Gastronomie würde überwiegend schwarz abgewickelt. Der SPIEGEL berichtet von bis zu 85 Prozent. Diese unfreundliche Behauptung lässt sich durch meine kleine Studie nicht bestätigen. Bei 14 von 18 Gastwirten spuckte die Registrierkasse einen Beleg aus (78 Prozent), meist sogar mehrere. Jedes Getränk, jedes Speise wurde mit einem eigenen Bon registriert. Damit sich nicht dutzende Papierstreifen auf den meist zu kleinen Tischen kringeln, gibt es spezielle Bon-Töpfchen. Ein Tisch-Accessoire nur für Steuer-Belege – so etwas habe ich in Deutschland noch nie gesehen! 

Zusammenfassend erhielt ich bei 94 Einkäufen 57 Quittungen. Das ist eine Quote von 61 Prozent. Für ein Land in dem das Steuernzahlen schon fast unanständig sein soll, eine erstaunliche Quote und ein Kontrast zum Griechenland-Bild in den deutschen Medien.

Giorgos Christides: Griechenland nach Finanzkrise: Von einem, der auszog, eine Quittung zu erhalten