"Da wird es in Zukunft einiges aufzuarbeiten geben"

Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, im Gespräch über die Coronakrise und deren Auswirkungen auf die Inhalte und die Arbeit der Landeszentrale.

Herr Dr. Löffler, wie hat sich die Coronakrise auf die Arbeit der Landeszentrale ausgewirkt?

Auch unser Haus war von Anfang an vom Lockdown betroffen. Mit dem Veranstaltungsverbot brach eine wichtige Säule unserer Arbeit weg. Richtig schade war es, dass die Leipziger Buchmesse ausfiel. Da wir seit Jahren einen gemeinsamen Stand mit der Landeszentrale von Sachsen-Anhalt und der Bundeszentrale für politische Bildung haben, ist die Messe ein Höhepunkt des Frühlings. Danach war uns aber allen auch klar, dass die Lage durchaus ernst ist und wir mit wochenlangen Einschränkungen rechnen mussten. Also haben wir uns umorganisiert, haben eine Art Schichtbetrieb aufgebaut, so dass aus jedem Referat immer einige Kollegen am Platz und der Rest im Homeoffice war. So wie es die Corona-Regeln zuließen. Danach begann nach einer Phase der Orientierung das Umdenken. Ich fand es sehr schön zu sehen, wie viele Kolleginnen und Kollegen neue digitale Ideen und Formate entwickelten, sich in neue Techniken einarbeiten und das Haus so einen Schritt nach vorne brachten. In der Krise lagen also auch Chancen.

Welche neuen Angebote sind dadurch entstanden?

Zum Beispiel die Sonderaktion für unsere Publikationsangebote – die bis heute über 1.300 zusätzliche Bestellungen von insgesamt ca. 4.000 Publikationen auslöste. Ideen für neue E-Learning-Kurse entstanden, eine neue Zusammenarbeit mit einem Plattform-Anbieter und mehr Werbung über Social-Media-Kanäle und regelmäßige Buchbesprechungen im Blog der Landeszentrale. Nach einiger Zeit fingen die ersten Kollegen mit Webtalks – in Zusammenarbeit mit den sächsischen Volkshochschulen – an, es gibt Lehrerfortbildungen online, ganze thematische Reihen wie etwa zum Thema Gaming oder Debatten mit den sächsischen Europaabgeordneten und vieles mehr. Deshalb haben wir sogar ein kleines Studio eingerichtet.

Ist denn auch ein ausgesprochenes „Corona-Format“ entstanden, mit dem die Landeszentrale für politische Bildung sich aktiv einbringt?

Wir haben in der Tat ein ganz neues Projekt aufgesetzt mit dem Titel „Aus der Krise lernen? Offene Gesellschaft in der (Post-)Corona-Phase.“ Wir wollen unseren Beitrag leisten, dass wieder in der Öffentlichkeit und mit den Bürgern breiter und intensiver über politische Fragen debattiert wird. Das fehlte in meinen Augen einige Wochen lang in Deutschland. Wir schalten deshalb Artikel in den Gratiszeitungen Sachsens und erreichen so ca. 1,7 Mio. Haushalte. Damit wollen wir eine Debatte anregen, was wir denn nun aus den vielen Wochen der Corona-Krise mit ihren Einschränkungen lernen können. Wer die Artikel gelesen hat, ist eingeladen, in der Folgewoche mit Expertinnen und Experten zu diskutieren. Das geht ganz leicht. Einfach unsere Homepage www.slpb.de anklicken, dann kommt man in die „Webinare“. Dort kann man seine Fragen stellen und seine Meinung einbringen. Wir behandeln beispielsweise Themen wie Corona App und Datenschutz, das Gesundheits- und Pflegesystem nach Corona, die Herausforderungen für Kirche und Kultur, für den Fußball und die europäische Zusammenarbeit. Geplant sind bis zur Sommerpause vier Abende pro Woche.

Wie sehen Sie die gesellschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie? Nicht jeder versteht ja, dass wir hierzulande die dramatischen Bilder Norditaliens möglicherweise nur durch gemeinsame Disziplin vermeiden konnten.

Eine solche Situation hat es noch nie gegeben. Zunächst kann man festhalten, dass die Maßnahmen der Regierungen in der Bevölkerung außergewöhnlich hohe Zustimmung fanden und finden. Die international eher geringen Infektions- und Sterberaten sprechen für den Erfolg dieses Weges. Ob deshalb jede Einzelmaßnahme richtig war oder nicht – darüber kann man trefflich streiten. Nun gehen wieder Menschen zum Demonstrieren auf die Straße – und das ist gut so. Das ist ein verbrieftes Grundrecht. Dass sie keinen Mundschutz tragen, finde ich persönlich falsch. Dass jetzt viele Emotionen im Spiel sind, verwundert mich nicht. Nach Wochen der Einschränkungen staut sich manches. Dass bestimmte populistische Akteure die ernsthafte Debatte über die Corona-Krise für ihre politische Agenda nutzen, dass Verschwörungsideologien um sich greifen, überrascht mich ebenfalls nicht, auch wenn ich diese Entwicklungen sehr kritisch beurteile. Ich kann deshalb nur raten, dass sich jeder, der für die Grundrechte, für Meinungsvielfalt und für die Wiederbelebung von Wirtschaft und Gesellschaft auf die Straße geht, sehr gut umschaut, mit wem er demonstriert. Wer feststellt, dass er in keiner guten Nachbarschaft unterwegs ist, sollte besser seine eigene Demo anmelden. Da wird es in Zukunft einiges aufzuarbeiten geben.

Wie blickt die Landeszentrale in die nächsten Monate?

Wir wollen im Herbst wieder analoge Veranstaltungen machen, wissen aber noch nicht, wie das Publikum diese annehmen wird. Haben die Menschen dann schon Lust, im persönlichen Kontakt über gesellschaftliche oder historische Themen zu reden oder ist die Angst vor Ansteckung noch zu groß?

Werden Sie ausgefallene Veranstaltungen nachholen?

Teils – teils. Vergangene Zeit kann man nicht aufholen. Konferenzen, Seminare und Diskussionen können wir Monate später anbieten. Aber wir müssen auch sehen, welche Themen „in der Luft“ liegen.

Was wird von Corona bleiben?

Was wir aus der Krise lernen werden, wird sich erst im Laufe der nächsten Monate zeigen. Ganz sicher wird die Digitalisierung auch für die politische Bildung einen Schub bekommen – wir werden stärker mit Lernplattformen und Webtalks arbeiten, wir werden uns nochmal unsere Wege der Bewerbung und Gestaltung unserer Angebote anschauen. Aber richtig ist auch: Dass politische Bildung auch online laufen kann und muss, ist keine neue Erkenntnis und auch keine, auf die wir alleine gekommen wären. Der Konkurrenzkampf wird auch auf diesem Gebiet größer werden. Wir versuchen deshalb uns noch intensiver mit anderen Landeszentralen und regionalen Partnern abzusprechen, um Kräfte zu bündeln.