Brücken bauen – europapolitische Bildung im Dreiländereck
Die Ergebnisse der letzten Wahlen in Deutschland, Polen und Tschechien verdeutlichen: Die Lage bleibt unruhig. Rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien haben weiterhin viel Zuspruch und können ihren Einfluss ausbauen. Vor diesem Hintergrund widmet sich die 3. Trinationale Vernetzungstagung der Europaakteure aus Sachsen, Tschechien und Polen – veranstaltet von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Sächsischen Staatskanzlei und der Europäischen Akademie Otzenhausen – zentralen Fragen: Wie ist die Situation in den Ländern aktuell? Wie funktioniert die europapolitische Bildungsarbeit dort? Welche Erfahrungen macht man?

Am 5. und 6. November haben sich etwa 80 Beteiligte im Chemnitzer Carlowitz Congresscenter getroffen, um sich auszutauschen. Akteure aus der politischen Bildung aus den drei Ländern sind dabei, Engagierte aus Bündnissen und Vereinen. Bei den vergangenen Trinationalen Tagungen hat sich gezeigt, dass der Austausch zwischen den Ländern hilfreich ist. Bereits im Sommer 2023 kamen Europa-Akteure zusammen, Ende 2024 fand die Konferenz zum zweiten Mal statt, mit Blick auf die Entwicklungen nach der Europawahl. „Beim dritten Mal wird eine Tradition daraus“, heißt es nun zur Begrüßung auf der Bühne von Ivo Vacík, Referent für Europa und Internationales der SLpB, der die Tagung konzipiert und moderiert hat. Chemnitz ist in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt, „ein guter Ort, um über Europa nachzudenken“, sagt Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. „Europa ist leider in den letzten Jahren ein identitätspolitischer Kampfplatz geworden“, sagt er. Die EU sei nach wie vor eine wichtige Institution, aber angegriffen von vielen Seiten. „Wir brauchen aber ein starkes Europa, um mit anderen Mächten standhalten zu können“, sagt Löffler. „Und wir müssen uns überlegen, wie eine adäquate politische Bildung aussehen kann.“

Zunächst werden die jüngsten Wahlergebnisse ausgewertet. In Deutschland hat bei der Bundestagswahl im Februar 2025 die CDU gewonnen und eine Regierungskoalition mit der SPD gebildet. Zweitstärkste Partei bei der Wahl war die AfD. In Polen hat im Sommer der Kandidat der rechtspopulistischen PiS-Partei die Präsidentschaftswahlen gewonnen. In Tschechien hat im Herbst die rechtspopulistische ANO-Partei die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gewonnen. „Die Lage ist schwierig und konfliktträchtig“, berichte Iga Kamocka, stellvertretende Direktorin der Robert-Schuman-Stiftung in Polen. Als es kürzlich Abschüsse von Drohnen gab, die über Polen geflogen sind, seien die Parteien für einen kurzen Moment geeint gewesen, ansonsten gebe es weiterhin verhärtete Fronten und viel Streit. In Tschechien sei die Lage ähnlich, berichtet Andrea Kyselá, Leiterin der Eurozentren bei dem Regierungsamt der Tschechischen Republik, EU-feindliche Tendenzen seien weiterhin stark vertreten.

Auch Eric Linhart, Professor für Politische Systeme an der TU Chemnitz, sieht weiterhin einen globalen rechtspopulistischen Trend. Aber es gebe auch Gegenbewegungen, er verweist zum Beispiel auf die Abwahl der rechten Regierung in den Niederlanden. „Ich sehe die Wahlergebnisse in Tschechien und Polen durchaus mit Besorgnis, aber ich glaube nicht, dass es sich schon zu sehr verfestigt hat“, sagt er. Prognosen seien schwierig, die Lage in vielen Ländern volatil. Man beobachte durchaus auch andere Tendenzen bei der jungen Wählerschaft – Neigungen zu linken bis linkspopulistischen Parteien, aber auch zum politisch rechten Rand. „Was auffällt, dass die traditionell großen Parteien CDU und SPD schwach sind bei jungen Wählern“, sagt der Politikwissenschaftler. Generell sei in vielen Ländern auffallend, dass es politische Repräsentanzlücken von jungen Menschen gebe. Aus Tschechien berichtet Andrea Kyselá wiederum, dass dort gerade verhältnismäßig viele junge Abgeordnete ins Parlament gewählt worden seien.

Um die junge Generation geht es bei der Konferenz häufig. Um die Suche nach geeigneten Methoden der europapolitischen Bildung – wie kann man Jüngere besser erreichen? In offenen Diskussionsrunden tauschen sich Akteure aus der europapolitischen Bildung aus. Man versuche so direkt wie möglich, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen, sagt die Mitarbeiterin einer Europa-Einrichtung in Dresden. „Wir merken, dass bei jungen Menschen viele Themen verschwimmen. Es geht oft gar nicht so direkt um EU-Themen, sondern zum Beispiel um Fragen der Sicherheit, um Verteidigung“, erzählt sie. Frontale Bildungsveranstaltungen sind weniger hilfreich, eher direktes Miteinander, Diskussionen sowie Formate wie EU-Planspiele.
Was könnte das Interesse an Europa stärken? Mehr Reisen, mehr Austausch zwischen jungen Menschen in den verschiedenen Ländern, diesen Impuls bringen viele in die Debatten ein. Ein Vorschlag wäre: ein europäisches Gesellschaftsjahr für junge Menschen. Wer wäre dafür? Eine große Mehrheit im Konferenzsaal meldet sich.

Ein weiteres Thema ist der Umgang mit Desinformationen, etwa in sozialen Netzwerken wie TikTok, wo viele junge Menschen aktiv sind. Leon Eberhardt, Mitte 20, ist seit einiger Zeit mit einem eigenen Kanal auf TikTok, postet dort Videos, mit denen er versucht, auf seine Art politische Bildungsarbeit zu gestalten. Viele seiner Videos drehen sich um Europa. Er erklärt, wie EU-Politik funktioniert, in welchen regionalen Projekten Fördergelder stecken, was die EU bedeutet für den Alltag und das Zusammenleben. Viele Teilnehmende haben selbst noch keine Erfahrungen mit TikTok gemacht, doch das Thema stößt auf großes Interesse. Klar ist, ignorieren kann man die sozialen Netzwerke für die politische Bildungsarbeit nicht. Aber es gibt auch Bedenken auf einigen Seiten, ob und wie man sie nutzen sollte, denn zum Beispiel auf TikTok haben vor allem verknappte, emotionalisierte Botschaften die größte Reichweite. Passt das zu politischer Bildung?

Leon Eberhardt sagt, er denke viel über moralische Aspekte bei seiner Arbeit nach. Er wolle mit seinen Videos „keine Polarisierung zuspitzen, sondern Brücken bauen“. Er berate gelegentlich Akteure politischer Bildungsarbeit und plädiere dabei für die Nutzung sozialer Medien. „Ich höre dabei oft, dass man die Videos noch pädagogisch wertvoller machen solle“, erzählt er. Darauf antworte er, dass noch viel Zeit vergehen werde, bis die Plattformen möglicherweise irgendwann reguliert werden, um Manipulationen und Propaganda in den Griff zu bekommen. „Bis dahin ist TikTok auch ein Netzwerk, das man für die politische Bildung nutzen sollte“, lautet der Ratschlag des jungen Manns an die Älteren bei der Konferenz.
Auch die dritte Ausgabe der Trinationalen Vernetzungstagung machte deutlich, wie sehr die europapolitische Bildungsarbeit davon profitiert, wenn Perspektiven aus Sachsen, Polen und Tschechien zusammenkommen. Der Austausch über gemeinsame Herausforderungen, neue Ansätze und künftige Kooperationen schafft einen Raum, den es in dieser Form europaweit nur selten gibt. Viele Teilnehmende wünschen sich daher, diesen Weg 2026 mit einer vierten Tagung fortzusetzen und die entstandenen Netzwerke weiter zu stärken.
