Alfons: „Jetzt noch deutscherer“

Von Paris nach Hamburg und von Hamburg nach Freiberg.

Emmanuel Peterfalvi alias Alfons ist im 13. Arrondissement von Paris aufgewachsen, absolvierte seinen Zivildienst in Hamburg beim Fernsehsender Canal+ und hat dann bei Premiere gearbeitet. Als er damals seinen besten Freunden seinen Umzug nach Deutschland ankündigte, habe er behauptet: „Ich bleibe nicht so lange in Deutschland … nur bis ich die Deutschen verstehe.“

Am 27. Mai 2025 tritt der deutsch-französische Kabarettist am Theater in Freiberg auf, um von der Geschichte seiner Einbürgerung zu erzählen. Während des Abends teilte Alfons mit uns Anekdoten, Kindheitserinnerungen und Fragmente einer teilweise dunklen Familiengeschichte. Tatsächlich berichtete Alfons von viel mehr als nur seinem Einbürgerungsprozess. Er legte dar, welche Überlegungen schließlich dazu geführt haben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen und weshalb diese „Deutschwerdung“ für ihn keine Selbstverständlichkeit war.

Im Laufe des Abends werden die Verflechtungen seiner Familiengeschichte mit der europäischen Geschichte und insbesondere mit dem Holocaust immer deutlicher. Zwei seiner Verwandten wurden 1944 nach Auschwitz deportiert: Alfons’ Großmutter Erica und sein Urgroßvater, der Chemiker André Wahl. Erica überlebte ihre Deportation, André wurde in den Gaskammern ermordet.

Wie alles anfing
Die Geschichte der Einbürgerung von Alfons begann mit einem Brief des Hamburger Bürgermeisters, der zu dieser Zeit kein anderer war als Olaf Scholz. Darin wurde Alfons gefragt, ob er nach 25 Jahren in Deutschland nicht darauf Lust hätte, Deutscher zu werden – eine Frage, die Alfons sich noch nie vorher gestellt hatte. Er hätte darauf mit Bedacht reagiert: „Vielleicht steht etwas im Kleingedruckten: Das erste Jahr ist kostenlos, aber danach …“. Das Schreiben hatte Alfons dennoch angesprochen, und es fehlte nicht an Argumenten, um seinen Adressaten zu überzeugen: „Allez Alfons (dt. Komm schon Alfons), wir sind ein friedliches Land …“ – „Alles klar, in der Bundeswehr sind eh alle Waffen kaputt!“

Alfons’ Großmutter Erica
Die Vorführung „Jetzt noch deutscherer“ konzipierte er bestimmt auch als eine Huldigung an seine Großeltern und insbesondere an seine Großmutter Erica („Grand-Mère“), an die er sich mit Zärtlichkeit erinnert. Sie nannte ihn „Petite Tête“ (dt. Kleiner Kopf), unterstützte ihn bei allen Projekten und wäre auch einverstanden gewesen, wenn er beschlossen hätte, „eine Rakete zu bauen und zum Mond zu fliegen“. Außerdem zeichnete sich Erica durch ihren Sinn für Humor aus: Sie hatte einen Trick entwickelt, bei dem sie den Menschen glauben ließ, sie hätte eine Fliege dressiert, die sich in ihrer Hemdtasche versteckte, wenn sie sie darum bat. Das Insekt war in Wirklichkeit eine Plastikfliege, die sie mittels eines Magnets bewegte. Vor allem in der U-Bahn fand die Großmutter ihr Publikum für den Plastikfliegen-Streich. Wenn jemand auf den Trick hereingefallen war, hatte sie eine ganze Woche lang ein Lächeln im Gesicht.
Erica wollte immer im Lotto gewinnen, was eines Tages wirklich geschah. Zu diesem Anlass organisierte sie eine riesige Feier, und während des ganzen Abends wurde der Radetzky-Marsch gespielt. Wieso hatte sie gewonnen? Dank der sechs Zahlen, die Alfons selbst mit dem Buntstift auf dem Lottoschein angekreuzt hatte.

Alfons’ Großmutter hatte eine „Gute-Laune-Wand“ mit vielen von Alfons’ Zeichnungen und ein paar Fotos von Alfons’ Urgroßvater. Alfons hat sich erkundigt: André Wahl habe bedeutende Entdeckungen gemacht und hätte laut seiner Großmutter Erica vielleicht den Nobelpreis für Chemie erhalten können.
Im Laufe des Abends erfahren wir auch, wie Alfons’ Großmutter sich mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand befreundete und wie sie auch eine – für Alfons rätselhafte – Freundschaft mit einem Deutschen namens Karl Heinz knüpfte.

„Ein deutscher Protest für einen Franzosen, das ist sehr süß“
Jérôme und Jean-François sind Alfons’ beste Freunde. Nachdem er den Einbürgerungsbrief bekommen hatte, soll Jérôme gefragt haben: „Du willst nicht mehr französisch sein?“ – Aber wäre das unvereinbar?
Bei ihren Besuchen in Deutschland haben seine beiden Freunde unterschiedliche Gewohnheiten zwischen Frankreich und Deutschland festgestellt. Während einer Bauerdemo in Berlin staunte Jérôme über die Sauberkeit der in einer Kolonne stehenden Traktoren – und auch darüber, dass dieselben Traktoren tatsächlich an der roten Ampel anhielten. Alfons ließ es sich nicht nehmen, das Publikum auch ein wenig zu hänseln. Zum Beispiel sagte er, der Sturm auf die Bastille wäre tatsächlich auch ganz anders verlaufen, wenn die Revolutionäre sich im Vorfeld hätten anmelden müssen.
 

Wie Alfons immerhin noch deutscherer geworden ist
Alfons hatte sich den Brief von Olaf Scholz an den Kühlschrank gehängt, welcher einige Zeit später Feuer fing. Von dem Brief war deshalb nichts außer Asche übrig. Nachdem er Olaf Scholz auf einer Fernsehbühne getroffen hatte, zog Alfons seine mögliche Einbürgerung erneut in Betracht. In der darauffolgenden Zeit bestand er den Einbürgerungstest und wurde während der Einbürgerungszeremonie von Olaf Scholz persönlich begrüßt.
Alfons hat den Abend mit einer Interpretation des Chansons „Göttingen“ der französischen Sängerin Barbara abgeschlossen. Er hat den Entstehungskontext dieses Liedes erklärt, das die deutsch-französische Aussöhnung thematisiert: Das Chanson wurde während eines Aufenthalts von Barbara in Göttingen anlässlich eines Konzerts komponiert. Die durch den Krieg geprägte Sängerin verweigerte es anfangs noch, in Göttingen aufzutreten. Schließlich entschied sie sich doch, dort zu singen und wurde vom Publikum sehr herzlich empfangen.

Politische Bildung im Theater
Alfons lädt uns ein zu einer Reise durch Frankreich und Deutschland, durch die Geschichte dieser beiden Länder und durch seine eigene Geschichte. Für ihn war es in gewisser Weise symbolisch, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im Verlauf des Abends zeigt er, dass die deutsche Staatsbürgerschaft für ihn weder unbedeutend noch unpassend ist, sondern angesichts seiner Familiengeschichte ein Versöhnungsakt darstellt. Deutschland ist zu seiner Wahlheimat geworden.
Alfons hofft, dass wir uns nach der Vorstellung „ein paar Gedanken nach Hause“ mitnehmen. Denn sein Anliegen ist es, das Nachdenken über die Bedeutung von Frieden und Freundschaften in Europa zu fördern und solche Überlegungen zum Keimen zu bringen.
Und dieses Jahr gibt es mit der Ernennung Chemnitz’ als Kulturhauptstadt 2025 auch einen besonderen Anlass, den Zusammenhalt Europas in Sachsen zu feiern.
 

Weitere Aufführungen von Alfons: „Jetzt noch deutscherer“:

Diese Veranstaltung erfolgte in Kooperation mit SLpB Projektbüro Chemnitz, Cellex Stiftung und Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH.