20 Jahre Sächsische Härtefallkommission
Die Härtefallkommission trägt eine besondere Verantwortung: Ihre Mitglieder können beantragen, dass Ausländerinnen und Ausländer aus dringenden humanitären Gründen vom Innenminister eine Aufenthaltserlaubnis erhalten – trotz vollziehbarer Ausreisepflicht.

Die Chancen und Schwierigkeiten, die aus einer solchen Verantwortung hervorgehen, hat unser Podium am 5. Juni im Bürgerfoyer des Sächsischen Landtags diskutiert. Unter der Moderation von Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, sprachen:
Prof. Dr. Johannes Eichenhofer, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Leipzig
Prof. Dr. Birgit Glorius, Professorin für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung an der TU Chemnitz
Mechthild Gatter, Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission, Abteilungsleiterin für Fachberatung und Sozialpolitik bei der Caritas
Detlef Sittel, Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission (2005–2023), ehemaliger Erster Bürgermeister der LH Dresden
Geert Mackenroth, Sächsischer Ausländerbeauftragter, Vorsitzender der Sächsischen Härtefallkommission
Zu Beginn erläuterte Prof. Eichenhofer die rechtliche Grundlage der Kommission, die sich aus § 23a des Aufenthaltsgesetzes sowie der Sächsischen Härtefallkommissionsverordnung ableitet. Trotz ihrer wichtigen Rolle sei die Kommission nicht unumstritten. Die Kritik beinhaltet vor allem Fragen an die demokratische Legitimation, die Transparenz sowie die rechtliche Kontrolle der Kommission. Da ihre Mitglieder nicht gewählt sind und ihre Entscheidungen nach eigenem Gewissen treffen, entstünden ebenso Zweifel an ihrer Verbindlichkeit. Prof. Eichenhofer widersprach diesen Vorwürfen: Die Kommission übe keine staatliche Gewalt aus, denn die letztliche Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis liege beim Innenminister. Vielmehr sei sie eine zivilgesellschaftliche Instanz, die nicht denselben verfassungsrechtlichen Maßstäben unterliege wie staatliche Behörden.

Geert Mackenroth trug zur 20-jährigen Existenz die positive Bilanz der Härtefallkommission vor: Von insgesamt 675 behandelten Fällen konnten in 433 Fällen eine Aufenthaltserlaubnis erwirkt werden. Frau Gatter und Herr Sittel, mit langjähriger Erfahrung in der Kommission, fügten dabei hinzu: Ihre Arbeit habe sich über die Jahre immer wieder verändert, und die Weise, wie Entscheidungen getroffen werden, müsse von Fall zu Fall stets überdacht werden. Darin liege auch eine Stärke ihrer Arbeit, so Frau Gatter. Wöchentlich kämen Menschen zu ihr mit dem Anliegen, ihren Fall vor die Härtefallkommission zu bringen. Sie probiere, jeden von ihnen im persönlichen Gespräch kennenzulernen. Nur so könne sie sich ein zureichendes Bild der humanitären Lage der betroffenen Person machen. Dabei müsse sie sich manchmal auch auf ihr „Bauchgefühl“ verlassen, das einem sagt: Hier stimme etwas nicht, diese Person sollte nicht ausgewiesen werden, ergänzte Herr Sittel.
Prof. Glorius hob die positive Signalwirkung der Kommission hervor: Sie zeige, dass versucht werde, Ungerechtigkeiten dort auszugleichen, wo das Recht an seine Grenzen stößt.
In der anschließenden offenen Fragerunde wurden verschiedene Zukunftsfragen diskutiert: Sollte es ein individuelles Antragsrecht geben, verbunden mit der Möglichkeit, den eigenen Fall vor der ganzen Kommission zu vertreten? Müsse man die Kommission hinsichtlich zunehmender kultureller und religiöser Vielfalt diverser besetzen? Und wie könne man die Arbeit der Kommission noch weiter stärken?

Auf die letzte Frage antwortete Herr Sittel mit einem Appell: Die meist ehrenamtliche Arbeit von Migrationsberaterinnen und Migrationsberatern müsse personell, strukturell und finanziell besser unterstützt werden. Zudem helfe eine stabile Gesetzeslage, um Unsicherheiten zu reduzieren. Dies käme besonders den Betroffenen zugute, die sich oft durch komplexe Verfahren kämpfen müssen, um ihr Anliegen bearbeitet zu sehen. Er wünschte sich, dass so mehr Fälle bereits erfolgreich bearbeitet werden könnten, bevor ein Härtefallverfahren nötig wird, und sprach sich gegen eine Änderung der aktuellen Härtefallverordnung aus.