Am 4. September 1989 erste Montagsdemonstration

Den zentralen Bestandteil der Friedlichen Revolution stellten die Montags- bzw. Massendemonstrationen dar, welche ihren Ausgang im September 1989 in der Leipziger Nikolaikirche nahmen und sich über die Städte Leipzig, Dresden und Plauen in die ganze DDR ausbreiteten. Nach dem Friedensgebet, das von den Nikolaikirchen-Pfarrern Christian Führer und Christoph Wonneberger geleitet wurde, fand am 4. September auf den Nikolaikirchhof die erste spontane und unorganisierte Montagsdemonstration mit über tausend Personen statt, die als Anlass unter anderem auf die massenhafte Ausreise- und Fluchtbewegung im Verlauf des Sommers 1989 verwies. Die Teilnehmer forderten auf Transparenten die allgemeine Reisefreiheit. Da bundesdeutsche Journalisten anwesend waren, versuchte die Staatssicherheit, die Transparente zu entfernen und die Demonstration aufzulösen. Es folgten "Stasi raus"-Rufe. Eine Woche später kam es im Anschluss an das Friedensgebet zu Verhaftungen durch die Volkspolizei.

Am 9. Oktober 1989 erzielten die nun wöchentlich stattfindenden Kundgebungen in Leipzig den Durchbruch zur Massendemonstration. Erstmals beteiligten sich ca. 70.000 Teilnehmer trotz der Angst vor gewalttätigem Eingreifen der Sicherheitskräfte. Diese Furcht war nicht unberechtigt, erst im Sommer 1989 hatte die DDR-Führung durch Egon Krenz der chinesischen Regierung im Anschluss an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens ihre Zustimmung zur Anwendung massiver Gewalt gegen die eigene Bevölkerung signalisiert. Darüber hinaus sahen sich die Protestierenden einem Großaufgebot der Sicherheitskräfte von Polizei, Staatssicherheit und NVA gegenüber, gewalttätige Einsätze gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten waren zudem zu diesem Zeitpunkt bereits vorgekommen: Vor allem am 2. Oktober in Leipzig sowie während der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR am 7.und 8. Oktober in Ost-Berlin kam es zu massiven Übergriffen der staatlichen Behörden. Erst am 21. Oktober erließ der Innenminister der DDR eine interne Gewaltverzichtserklärung, wonach Maßnahmen der Polizei gegenüber Demonstranten nur vorzunehmen waren, wenn die Gewalt von den Protestierenden selbst ausgehe. Während der Demonstrationen wurde eine Eskalation oft dadurch verhindert, dass ausgewählte Demonstrantinnen und Demonstranten den Dialog mit Vertretern der SED suchten.

Gewaltfreier Protest entwaffnet SED-Regime

Eine Woche nach der ersten Massendemonstration beteiligten sich bereits 120.000 Personen an den Leipziger Montagsdemonstrationen. In der darauffolgenden Woche erreichten die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die bis zu den Volkskammerwahlen im März 1990 fortgeführt wurden, ihren Höhepunkt, zu dem etwa 320.000 Teilnehmende anwesend waren. Am Anfang der Demonstrationsbewegung waren die Forderungen überall ähnlich: Die Teilnehmer skandierten "Wir sind das Volk!", "Auf die Straße!", "Reiht euch ein", "Wir bleiben hier", "Wir sind keine Rowdies" und "Keine Gewalt". Nachdem die SED zunehmend die Kontrolle verloren hatte und staatliche Institutionen auch in alltäglichen Situationen ihre Autorität nicht mehr aufrechterhalten konnten, differenzierten sich die Bürgerrechtsbewegungen sowie deren Forderungen.

Die Massenproteste des Herbstes 1989 basierten auf der Unfähigkeit der DDR, der Unzufriedenheit der Bevölkerung etwas entgegenzusetzen, wurden von Oppositionsgruppen angestoßen und durch die breite Bevölkerung getragen. Die beteiligten Demonstranten kamen aus den Bürgerrechtsgruppen wie dem Neuen Forum, aber auch unzufriedene SED-Mitglieder und vor allem die vielen Bürgerinnen und Bürger, die ihre private Nische verließen und ihren Unmut äußerten, beteiligten sich. Die Friedfertigkeit der Demonstrantinnen und Demonstranten kann in der Rückschau als maßgeblicher Faktor für das Gelingen der Friedlichen Revolution gewertet werden. Die Gegenüberstellung von staatlichen Gewaltmitteln und versammelter Bevölkerung, die sich davon nicht einschüchtern lässt, erzeugt eine Symbolik, welche die eigentliche Ohnmacht des Staates offensichtlich hat werden lassen. Bei vielen Demonstrationen wurden Kerzen als (christliches) Symbol der Hoffnung und Friedfertigkeit mitgeführt und beispielsweise vor Kirchen, dem Karl-Marx-Monument im damaligen Karl-Marx-Stadt, vor Polizeieinrichtungen, Stasi- und SED-Gebäuden abgestellt. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil hatten ferner die westdeutschen Medien, die die Ereignisse in der DDR und im Ausland publik machten sowie die Bevölkerung der anderen Ostblockstaaten, welche mit ihren Protesten eine wichtige Vorbildfunktion einnahmen.