Bereits vor Jahrtausenden entstand der in der jüdischen Kabbala überlieferte Mythos des „Golems“. Ein Golem ist in dieser Vorstellung ein Wesen aus Lehm, welches von Menschenhand gebaut und dem eine Art Leben eingehaucht wird: Ein Zettel mit Worten wird ihm wahlweise unter die Zunge oder im Schädel platziert. Dieser Zettel enthält Gesetze und Befehle, an die der Golem sich in der Folge halten muss. Der Golem hatte in dieser Erzählung zweierlei Funktion: Zum einen konnte er Aufgaben auch am Sabbat verrichten, während es den Menschen jüdischen Glaubens an diesem heiligen Ruhetag untersagt war, zu arbeiten. Andererseits, das zeigt sich vor allem in der Geschichte des Golems von Prag aus dem 16. Jahrhundert, soll er die jüdische Gemeinde schützen, die auch damals schon Feindseligkeit, Hass und Pogromen der Bevölkerung ausgesetzt war. In dieser Erzählung wird er eines Tages nicht ausreichend überprüft und beginnt daraufhin, in der Stadt unkontrolliert um sich zu schlagen, um eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen.

Diese Erzählungen entstanden viele Jahrhunderte vor unserer heutigen digitalen Welt und dennoch enthalten sie bereits die zwei zentralen Motive, welche sich heute um Künstliche Intelligenz drehen: Die Hoffnung darauf, dass uns Maschinen durch Automatisierung Arbeit abnehmen und die Sorge, dass sie sich aufgrund eines Konstruktionsfehlers selbstständig machen und großen Schaden anrichten können. Diese Grundkonstante ist älter als die eigentliche Erfindung der entsprechenden Technologie (damals ersetzt durch Magie), was aber auch heute noch erklären kann, warum wir uns als Menschen im Spannungsfeld zwischen dieser Hoffnung und Sorge bewegen.

Nach dem Golem kam es immer wieder zu literarischen Varianten und Nacherzählungen, bis im Jahr 1920 durch den tschechischen Autor Karel Čapek ein neuer Begriff erdacht wurde, der sich bis heute großer Beliebtheit erfreut: Der des „Roboters“. In seinem Theaterstück „R. U. R.“ (tsch. Rossumovi Univerzální Roboti, dt. etwa Rossums universelle Roboter) werden Maschinen als billige Arbeitskräfte in Fabriken verwendet, bis diese schließlich ein (Klassen-)Bewusstsein entwickeln, gegen die Ausbeutung aufbegehren und die Menschheit vernichten. Diese Handlung mag aus heutiger Sicht abgedroschen klingen, führte aber damals – wiederum weit vor unserer digitalen Gesellschaft – ein zentrales Motiv in die Erzählung zu KI ein.

Wenn der Prager Golem vor allem auf Grund einer Fehlkonstruktion Amok lief, so lag es bei Rossums Robotern daran, dass diese ein Bewusstsein entwickelten, sich als Lebewesen mit Rechten und Bedürfnissen verstanden und die vormalige Verwendung als Maschine nun plötzlich zur Ausbeutung geriet. Erstmalig existiert hier das Motiv der Rache und der Rivalität zwischen Mensch und Maschine, welches sich dann popkulturell weit verbreitete, am bekanntesten im Film „Terminator“. Auch wenn die Erzählung oftmals als Trash abgetan wird, wirkt sie mit daran, unsere kulturelle Haltung zu konkreten Fragen von künstlicher Intelligenz zu bilden und zu beeinflussen.

Zum Vorläufer der modernen Chatbots kam es schließlich im Jahr 1966, als Joseph Weizenbaum das Computerprogramm „ELIZA“ entwickelte. Eliza imitierte eine Psychotherapeutin, die vor allem mit Rückfragen arbeitet. Dabei wird die Eingabe der Nutzerinnen und Nutzer auf bestimmte „Problemwörter“ hin untersucht und mit vorgefertigten Phrasen geantwortet, die vorher durch Weizenbaum in Form von Teilmodulen angelegt wurden. Auch wenn hier eine komplexe Verzweigung von Möglichkeiten und damit auch eine komplexe Programmierung vorliegt, ist der Aufbau verglichen mit heutigen Chatbots sehr einfach.