Kontroversen um Anerkennung: eSports als Sportart und gesellschaftliches Bindeglied

Beim Thema eSports prallen immer wieder unterschiedliche Weltbilder aufeinander. Gemeint ist damit das Spielen von Videospielen im Modus des sportlichen Wettkampfes, also alle Situationen, in denen sich Spielerinnen und Spieler nach bestimmten Regeln miteinander messen, Turniere austragen, Punktspiele in Ligen absolvieren und um Preisgelder ringen. Das Interesse an eSports wuchs in den letzten Jahren beträchtlich, als im Jahr 2018 das Finale der Weltmeisterschaft im Spiel "League of Legends" ausgetragen wurde, schauten etwa 100 Millionen Leute zu, wie die Spitzenteams um ein Preisgeld von umgerechnet 5,7 Millionen Euro kämpften.

Dennoch löst die Frage der Anerkennung als Sportart (und damit auch der Förderung mit staatlichen Mitteln) immer wieder Kontroversen aus. Vor allem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), aber auch andere Entscheidungsträger ordnen eSports nicht als Sportart ein. Nicht selten dreht sich die Diskussion um die Frage, was einen Sport überhaupt ausmacht und wie viel körperliche Bewegung dabei notwendig ist. Sport besteht jedoch nicht nur aus Spitzenturnieren und beeindruckenden körperlichen Leistungen, sondern hat noch eine weitere, vielleicht sogar viel wichtigere Funktion: Er bringt Menschen zusammen, die sich so vielleicht nicht begegnen würden, er schafft einen Ort, wo sich Menschen engagieren und verwirklichen können.

Doch wie sieht es in dieser Hinsicht eigentlich bei den eSports aus? Dazu hatten wir die Möglichkeit, mit Eric Menzel zu sprechen, dem Gründer und Leiter von INVITE Gaming. Der Zusammenschluss aus Dresden hat sich zum Ziel gesetzt, die sächsische eSports-Szene zu vernetzen und auf Veranstaltungen quer durch den Freistaat Menschen zusammenzubringen, welche der Spaß an eSports und Gaming allgemein verbindet. INVITE Gaming arbeitet als Verein, bedingt durch die Corona-Pandemie steht die Eintragung ins Vereinsregister jedoch noch aus.

SLpB: Eric, du hast INVITE Gaming gegründet. Wie bist du selbst eigentlich zum Gaming gekommen?

Eric Menzel: Ich habe früher schon viel gespielt, muss ich sagen. In der Grundschule haben wir uns in der Bibliothek an den Rechner gesetzt, an den Röhrenbildschirm, weil es zu Hause noch keinen gab oder der nur selten benutzbar war und haben da ein paar Online-Browser-Games gespielt, die gerade so frisch auf den Markt gekommen waren. Ich glaube die Spiele gibt es heute immer noch, aber davon habe ich schon lange nichts mehr gehört (lacht).

SLpB: Was war der Hintergrundgedanke zu INVITE Gaming?

Eric Menzel: Wir hatten verschiedene Hintergrundgedanken dabei. Zuerst steht immer, dass wir Gaming und eSport fördern wollen in Sachsen, es ein wenig bekannter und auch für verschiedenste Altersgruppen zugänglich zu machen. Dazu machen wir Webentwicklung, Fotografie, Videografie und versuchen auch, regional junge Leute an diese Themen heranzuführen: Wie bedient man eine Kamera, wie schneidet man ein Video, wie macht man ein Foto und wie bearbeitet man das dann nachträglich? Das können sie sich dann bei uns mal anschauen.

"Am Ende sind immer alle happy"

SLpB:  Es gibt ja viele Leute, die gern spielen, das auch kompetitiv tun und einen Anspruch haben, die dann aber dabei bleiben würden zu sagen „ich mach hier mein Ding, ich spiele vielleicht ein wenig in der Rangliste oder nehme mal an einem Online-Turnier teil“. Was bringt die Leute dann dazu, sich im echten Leben zu treffen?

Eric Menzel: Was ich immer wieder beobachte, und das ist ein unglaublich schöner Effekt, ist, wenn sich Leute, die sich ein halbes Jahr lang nur über Voice-Chat verständigt haben und nur ihr Profilbild kennen, tatsächlich auch mal im echten Leben begegnen. Wenn man sich gegenseitig in die Augen sieht und denkt: „Ah, du bist derjenige, mit dem ich ein halbes Jahr zu tun hatte, der mir im Spiel so oft das Leben gerettet hat!“ Das ist nochmal ein höheres Level von Gemeinschaftsgefühl und ich denke, das treibt viele Leute dazu, auch mal den Schritt zu wagen.

SLpB: Kommt es dann manchmal auch zum Schock? Man hat ja schon eine Vorstellung von der anderen Person, aber dann ist die plötzlich vielleicht ganz anders, wenn sie real vor einem steht. Hattet Ihr da auch schon merkwürdige Situationen?

Eric Menzel: Am Ende sind alle immer happy. Es ist auch egal, wie die andere Person aussieht. Man hat sich ja vorher kennengelernt, alle Vorurteile abgelegt, dadurch, dass man ja nur die reine Persönlichkeit des Gegenübers kennenlernt. Ist sie groß oder klein, schwarze oder blonde Haare? Das ist nicht wichtig. Es zählt nur: kann ich den leiden oder nicht? Alles andere macht dann keinen Unterschied mehr.

SLpB: Und wie fühlt sich das Zusammentreffen an? Seid ihr dann direkt warm oder braucht es dann erstmal doch noch Smalltalk?

Eric Menzel: Das kommt auf die Persönlichkeit an, manche sind introvertiert, ich zum Beispiel hatte auch manchmal die Situation, dass ich mich nicht so schnell eingewöhnt habe, andere springen direkt rein und führen die Gespräche weiter wie im Voice-Chat. Am Ende werden aber alle warm und wenn man nach Hause geht und wieder am Rechner sitzt, kennt man die andere Person im Voice-Chat mehr und dann ist alles ein Bisschen anders, und auch ein Bisschen besser als vorher.

"Im klassischen eSports-Vereinsleben wird es dann schon relativ komplex"

SLpB: Lass uns gern den Blick einmal auf das Vereinsleben selbst richten. Wie sieht das bei Euch aus?

Eric Menzel: Wir haben jede Woche ein virtuelles Team-Meeting, das ist eine sehr entspannte Runde und das ist bei den meisten Vereinen so üblich. Hier geht es dann um aktuelle Themen, wir haben ja verschiedene Leute, die sich alle an unterschiedlichen Stellen einbringen. Derzeit [coronabedingt, Anm. d. V.] fehlt natürlich der reale Kontakt, der das alles etwas einfacherer macht. Mit den Leuten, die schon länger dabei sind, bin ich persönlich auch gut befreundet. Die besuche ich dann auch mal, auch wenn sie eine Stunde weg wohnen. […] Wir hatten immer viele Projekte am Laufen, wie zum Beispiel ein Public Viewing der League of Legends Weltmeisterschaft im Kino, zurzeit bauen wir gerade Sachsen 1:1 in Minecraft nach, darüber kommen auch immer viele Interessenten, die man vorher noch nicht kannte. Damit sprechen wir verschiedene Interessengruppen an, kommen über unser gemeinsames Hobby ins Gespräch. Dann findet man vielleicht heraus, dass die Leute neben dem Spielen auch noch andere Qualitäten haben und dann, dann wird aus einem Fremden ein Kumpel.

SLpB: Das klingt richtig romantisch.

Eric Menzel: (Lacht) Ja.

SLpB: Nun seid ihr ja vor allem mit den Veranstaltungen beschäftigt, aber im Vordergrund stehen in den eSports ja die Vereine, welche selbst kompetitiven Sport betreiben. Wie kann man sich hier das Vereinsleben vorstellen? Kommen die Leute hier, wie zum Beispiel beim Fußball, mehrmals die Woche zum Training zusammen?

Eric Menzel: Im klassischen eSports-Vereinsleben wird es dann schon relativ komplex. Wer wirklich Erfolg haben möchte, als Verein oder als einzelner Spieler, der hat meistens einen Trainer, der in dem jeweiligen Spiel Erfahrung hat. Das muss selbst nicht der beste Spieler sein, aber er muss viel allgemeine Kenntnisse, viel Taktikgefühl und seine Leute unter Kontrolle haben. Vielleicht gibt es auch noch einen Teammanager, der sich um Termine kümmert, um Turnieranmeldungen und um das allgemeine Wohlbefinden des Teams. Dann natürlich die Spieler. Die haben dann mitunter fast täglich Training. Das geht von Taktikbesprechungen mit Bildschirmübertragung und Zeichnen auf der Spielfeldkarte über Übungen im Spiel bis hin zu Einzelunterricht.

SLpB: Also eigentlich relativ nah an dem, was man aus dem klassischen Breitensport so kennt. Dass dann sozusagen auch mal Standards wie Kopfball nach der Ecke oder ähnliches trainiert werden.

Eric Menzel: Genau. Es kommt ganz auf das Spiel an, welche Spielmechaniken trainiert werden, ob man sich eher auf das allgemein Teamgefüge konzentriert oder ob standardisierte Abläufe im Fokus stehen. Aber es gibt in jedem Spiel Standards, die man trainiert, Fallentscheidungen, die man dann später vornimmt. Es gibt in den meisten Spielen außerdem den sogenannten „Caller“, der die Ansagen im Team übernimmt. Das könnte im normalen Breitensport der Teamkapitän sein, der das Spiel taktisch anleitet.

SLpB: Treffen sich die Vereine dann auch manchmal vor Ort, gibt es dann auch Stammtische oder ähnliches oder geht es dann nur um den Sport, dann wird trainiert, der Vorstand kümmert sich um die Organisation und das war‘s?

Eric Menzel: Die Mentalität der Vereine ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Vereine, die in der, ich nenne es mal „gemeinschaftlichen Schiene“ unterwegs sind und auch Offline-Treffen machen, vielleicht regional engagiert sind. Es gibt Vereine, die eine Kombination aus eSports und Gaming fahren. Das ist erst einmal nah beieinander, aber in der Mentalität ist eSport nicht mehr so eine große Gemeinschaftssache, sondern eher erfolgsorientiert. Gaming ist dann das gemeinschaftliche Spaßhaben, bei Vereinen ist oft beides vorhanden. Wir haben in Sachsen viele, die eine Mischung fahren. 404 Multigaming [Dresdner eSport-Verein, Anm. d. V.] ist zum Beispiel sehr aktiv im eSport, macht aber auch regional sehr viel, sie eröffnen zum Beispiel hier in Dresden bald eine Bar, die sie zum Thema Gaming aufziehen. Reactor Squad aus Chemnitz fahren jedes Jahr mit sehr vielen Leuten, also um die Hundert, zusammen zur Dreamhack [eine der größten LAN-Parties Europas, welche unter anderem in Leipzig stattfindet, Anm. d. V.] um da ein gemeinsames Wochenende zu verbringen, die treffen und kennen sich auch offline. Wir haben Leipzig eSports, die sehr regional engagiert und auch ehrenamtlich unterwegs sind, dort vor allem auch Nachwuchsförderung betreiben und dabei viel auf Gemeinschaft bauen. Wir als INVITE wollen vor allem das Zusammenkommen fördern. Wir organisieren auch Turniere, die dann aber eher mit Spaß verbunden sind. Unsere Messen wurden nun leider erst einmal [coronabedingt, Anm. d. V.] abgesagt, es gibt Community-Treffen, solche Sachen.

SLpB: Wie viele Mitglieder haben denn diese Vereine etwa, bzw. wie viele Leute sind dort aktiv?

Eric Menzel: Die Größenordnungen sind vollkommen unterschiedlich. 404 Multigaming hat beispielsweise über hundert Mitglieder, die auch Mitgliedsbeiträge bezahlen und sich dort im Vereinsleben tummeln. Es gibt Vereine, die überregional aktiv sind, die können da auch schonmal über 500 Mitglieder kommen.

"Das Schöne ist, dass so ein Verein es ermöglicht, auch jungen Leuten, ein kleines Stück Verantwortung zu übernehmen"

SLpB: Treffen sich die Vereine dann auch manchmal vor Ort, gibt es dann auch Stammtische oder ähnliches oder geht es dann nur um den Sport, dann wird trainiert, der Vorstand kümmert sich um die Organisation und das war‘s?

Eric Menzel: Die Mentalität der Vereine ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Vereine, die in der, ich nenne es mal „gemeinschaftlichen Schiene“ unterwegs sind und auch Offline-Treffen machen, vielleicht regional engagiert sind. Es gibt Vereine, die eine Kombination aus eSports und Gaming fahren. Das ist erst einmal nah beieinander, aber in der Mentalität ist eSport nicht mehr so eine große Gemeinschaftssache, sondern eher erfolgsorientiert. Gaming ist dann das gemeinschaftliche Spaßhaben, bei Vereinen ist oft beides vorhanden. Wir haben in Sachsen viele, die eine Mischung fahren. 404 Multigaming [Dresdner eSport-Verein, Anm. d. V.] ist zum Beispiel sehr aktiv im eSport, macht aber auch regional sehr viel, sie eröffnen zum Beispiel hier in Dresden bald eine Bar, die sie zum Thema Gaming aufziehen. Reactor Squad aus Chemnitz fahren jedes Jahr mit sehr vielen Leuten, also um die Hundert, zusammen zur Dreamhack [eine der größten LAN-Parties Europas, welche unter anderem in Leipzig stattfindet, Anm. d. V.] um da ein gemeinsames Wochenende zu verbringen, die treffen und kennen sich auch offline. Wir haben Leipzig eSports, die sehr regional engagiert und auch ehrenamtlich unterwegs sind, dort vor allem auch Nachwuchsförderung betreiben und dabei viel auf Gemeinschaft bauen. Wir als INVITE wollen vor allem das Zusammenkommen fördern. Wir organisieren auch Turniere, die dann aber eher mit Spaß verbunden sind. Unsere Messen wurden nun leider erst einmal [coronabedingt, Anm. d. V.] abgesagt, es gibt Community-Treffen, solche Sachen.

SLpB: Wie viele Mitglieder haben denn diese Vereine etwa, bzw. wie viele Leute sind dort aktiv?

Eric Menzel: Die Größenordnungen sind vollkommen unterschiedlich. 404 Multigaming hat beispielsweise über hundert Mitglieder, die auch Mitgliedsbeiträge bezahlen und sich dort im Vereinsleben tummeln. Es gibt Vereine, die überregional aktiv sind, die können da auch schonmal über 500 Mitglieder kommen.

SLpB: Im Vereinsleben geht es ja auch viel um das demokratische Prozedere, dass Vereinsmitglieder bestimmen, wie der Verein ausgerichtet sein soll, bei wichtigen Entscheidungen Einfluss nehmen. Ist das für viele neu? Wie erlebt ihr das, vor allem auch in anderen Vereinen?

Eric Menzel: Da kann ich meine eigene Historie herauskramen. Vor INVITE war ich bei einem anderen Verein aktiv und da habe ich angefangen mit meiner Vereinskarriere. Erstmal als normaler Spieler, hab dann aber irgendwann gemerkt, dass ich mehr machen möchte, um diese gemeinsame Sache zu unterstützen und auch ein Bisschen Verantwortung zu übernehmen. Das Schöne ist, dass so ein Verein so etwas ermöglicht, auch jungen Leuten, reinzukommen, ein kleines Stück Verantwortung zu übernehmen und sich auch in ein Thema mal einzuarbeiten und da federführend zu sein. Und das hat mir in meiner Entwicklung geholfen. Heute versuchen wir so etwas weiterzugeben und junge Menschen zu bestärken, Verantwortung zu übernehmen.

"Das Ziel ist, den Frauenanteil anzuheben"

SLpB: Nochmal zum eSport-Geschehen selbst, vor allem zu den Turnieren. Wie kann man sich die Wettkämpfe vorstellen? Ich habe da Bilder vor Augen, wie manche Spiele Stadien füllen, aber wie sieht das im regionalen Bereich aus?

Eric Menzel: Das kann man sich recht familiär und freundschaftlich vorstellen. Der Wettkampftag läuft je nach Spiel unterschiedlich ab, es wird viel darauf geachtet, zumindest machen wir das so, dass wir viel Raum lassen für persönlichen Kontakt und andere Angebote wie Pausenbeschäftigungen schaffen, die mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun haben.

SLpB: Wie würdest du da die Anzahl weiblicher Spielerinnen und Zuschauerinnen einschätzen?

Eric Menzel: Regional, bei unseren Turnieren, ist der Frauenanteil sehr gering. Wenn 10% Interesse haben, dann ist das schon ein guter Durchschnitt. Spielerinnen, die dann auch an Turnieren teilnehmen, sind selten. Zuschauerinnen dann schon ein paar mehr.

SLpB: Werden Frauen in den Vereinen kritisch beäugt?

Eric Menzel: Nein, die flächendeckende Meinung ist, dass es vollkommen egal ist, ob du Frau oder Mann bist. Man freut sich über Frauen, weil das Ziel ist, den Frauenanteil anzuheben, das finde ich wichtig.

SLpB: Gibt es in den eSports auch die Unterscheidung in Frauen- und Männerteams wie in konventionellen Sportarten?

Eric Menzel: Es gibt Frauenteams, die nur aus Frauen bestehen, aber es gibt nur selten ein Turnier, was nur für Frauen ausgelegt ist. Das ist keine gängige Praxis im eSport.

SLpB: Im Fußball zum Beispiel gibt es regionale Derbys, wenn ein Team auf die Mannschaft des Nachbarortes trifft, wo dann auch der Stolz, für den eigenen Ort anzutreten, eine Rolle spielt. Gibt es so etwas auch im eSport?

Eric Menzel: Das spielt schon eine Rolle, aber bisher wurde das noch nicht so groß gelebt, weil es noch keine Formate gibt, die so eine Rivalität entstehen lassen. Wir bei INVITE sind gerade dabei, da ein wenig reinzugrätschen mit der Gaming Meisterschaft Sachsen, die als Ziel hat, dass in Dresden, Leipzig und Chemnitz jeweils die Vorrunde gespielt wird und die besten Spieler aus den Regionen dann im Finale aufeinandertreffen. Aber auch hier liegt der Fokus klar auf Gemeinschaftlichkeit und freundliche Rivalitäten.

"Es wird noch viel stärker wachsen, dass man sich auch offline trifft, zu Events, oder einfach so, zum Grillabend"

SLpB: Weil du gerade von Sachsen erzählst. Wie ist denn hier die Dichte der Vereine? Es gibt ja das „klassische Bild“ von den drei großen Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig. Ist das in der eSports-Szene auch so oder gibt es auf dem Land oder in kleineren Städten auch Vereine, die kompetitiv mithalten können?

Eric Menzel: Es gibt zwar den Trend, dass regionale Fußballmannschaften FIFA-Teams bilden [„FIFA“ ist die absatzstärkste Fußballsimulation weltweit, Anm. d. V.], wo der Fußballverein dann virtuell antritt. eSports-Vereine abseits der Städte sind aber unüblich, hier bilden sich eher Freundeskreise und Communities. Viele schließen sich dann den größeren Vereinen in den Städten an, die ja auch nicht nur an die Stadt gebunden sind und auch den Draht ins Umland suchen.

SLpB: Wie steht Sachsen im Vergleich mit anderen Bundesländern da, was Infrastruktur und sportliche Leistung betrifft?

Eric Menzel: In Sachsen gibt es keine eSports-Vereine, die das komplett durchstrukturiert hauptberuflich machen und ganz oben mitspielen, aber wir haben Vereine, die durchaus das Potenzial dazu haben. Grundsätzlich ist Sachsen, was Gaming betrifft, infrastrukturell sehr weit vorn. Das liegt vor allem daran, dass es viele Vereine gibt, die regional in Sachsen engagiert sind und zum Ziel haben, auch hier aktiv zu werden.

SLpB: Spielst du eine klassische Sportart? Wo würdest du die Hauptunterschiede zwischen konventionellem Breitensport und den eSports sehen?

Eric Menzel: Ich habe früher Basketball gespielt, auch trainiert als Trainer. Unterschiede sehe ich vor allem bei der Akzeptanz der Eltern, die ist bei konventionellen Sportarten größer, die regionale Fangemeinschaft ist größer, Fantreffen finden häufiger statt. Das Sponsoring funktioniert anders, wie auch das Marketing. Das Marketing im eSport ist jedoch jetzt schon auf dem Weg, lukrativer zu sein. Der Einstieg in eSports, bzw. ins Gaming ist leichter, Erfolgserlebnisse stellen sich schneller ein.

SLpB: Und die Gemeinsamkeiten?

Eric Menzel: Es hat sehr viel gemeinsam. Das Gemeinschaftsgefühl des Teams ist ähnlich stark. Man feiert gemeinsam Erfolge, man ist traurig über gemeinsame Misserfolge. Es gibt genauso Trainingspartner, -coaches und Teammanager, also eine Vereinsstruktur dahinter, die das Ganze managed. Es gibt Verträge, man kann aber auch einfach zum Hobby spielen. Es gibt in beiden Bereichen eine Fangemeinde, die einem auch erlaubt, darauf stolz zu sein, was man erreicht hat, wenn man von Fremden angefeuert wird, die man nicht kennt, die einen trotzdem unterstützen. Es kann in beiden Bereichen sehr schwer sein, richtig gut zu sein, aber es lohnt sich auch in beiden Bereichen sehr.

SLpB: Manche Menschen prognostizieren, dass die eSports den konventionellen Sportarten den Rang ablaufen. Gerade im Breitensport, gerade im Amateurbereich, gerade bei jungen Leuten. Wie würdest du das einschätzen?

Eric Menzel: Ich sehe das ganz genauso. Es wird wahrscheinlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch nicht so stark spürbar sein, aber darüber hinaus wird der Wandel recht schnell passieren. Klassische Sportvereine haben heute Probleme, junge Spieler zu begeistern, weil die sich nicht mehr im Basketball engagieren, sondern eben in Fortnite oder in League of Legends und dort versuchen, ihre Erfolge zu feiern und zu finden. Da wird den klassischen Sportarten ein großer Brocken wegbrechen. Ob dann der eSport im gleichen Maße größer werden kann, das liegt nicht nur an den Spielern, da haben dann auch andere Instanzen die Verantwortung zu tragen. So zum Beispiel die eSport-Vereine, die dann auch die Möglichkeiten bieten müssen, diese ganzen Interessenten aufzufangen und aus Spielern Sportler machen. Man braucht Turniere, bei denen man sich beweisen kann, man braucht eine Bühne, um entdeckt zu werden, man braucht eine Fangemeinschaft, ohne Fans des eSports gäbe es auch kein Erfolg des eSports. Ich denke da auch an den Staat, der da auch eine Rolle spielt, diese Wandlung zu akzeptieren. Passieren wird sie, die Frage ist nur, wie leicht sie uns gemacht wird.

SLpB: Damit spielst du jetzt auch auf den DOSB und die Diskussionen um die staatliche Förderung an.

Eric Menzel: Ja, auf alle Fälle. Da ist noch sehr viel Weg vor uns, viel Diskussionsbedarf. Aber ich denke, es wird langsam Zeit, da eine Lösung zu finden, denn allzu lang können wir den Start nicht mehr verpassen. Irgendwann gibt es zu viele Interessenten, der normale Sport, wie er jetzt besteht, wird irgendwann nicht mehr so stark ausgeprägt sein. Wenn aber die Infrastruktur fehlt, dann werden alle Sportler zu Gamern, und nicht zu Sportlern. Dann wird es schwer, den Anschluss zu finden.

SLpB: Ihr arbeitet mit INVITE genau an der Schnittstelle, das virtuelle Geschehen auch in die Realität zu holen. Würdest du sagen, dass die eSports im echten Leben angekommen sind? Oder ist es vielleicht auch so, dass der soziale Austausch, der hinter dem Gaming stattfindet, auch immer ein Stück weit virtuell bleiben wird, weil es auch in der DNA des Gaming steckt, ein virtuelles Erlebnis zu sein?

Eric Menzel: Ich denke, es wird so bleiben, dass man sich grundsätzlich online engagiert und koordiniert. Weil Gaming so gewachsen ist und weil das die Normalität ist, wird das noch für eine lange Zeit so bleiben. Es gibt viele Spiele, die man von Zuhause aus spielen kann, sodass es keinen Zwang gibt, sich vor Ort zu treffen. Nichtsdestotrotz denke ich auch, dass es noch viel stärker wachsen wird, dass man sich auch offline trifft, sei es in thematisierten Bars oder zu Turnieren, eSports- und Gamingevents oder einfach so, zum Grillabend. Ich denke, aus der Online-Community wird immer stärker eine Offline-Community wachsen, die sowohl online als auch im echten Leben miteinander zu tun hat.

SLpB: Das werden wir dann in den nächsten Jahren verfolgen können. Eric, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch!

Eric Menzel: Sehr gern.