Der Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. widmet sich seit mehr als 100 Jahren Belangen wie Naturschutz, Denkmalschutz und Heimatpflege. Er wird getragen von mehr als 1100 persönlichen und über 90 körperschaftlichen Mitgliedern.

Herr Arnswald, Sie engagieren sich beim Verein Sächsischer Heimatschutz. Wie sind Sie zum Ehrenamt gekommen?

Ich war vorher schon in einem anderen Verein tätig, in dem es darum ging, alte Gebäude zu erforschen, sie am Ende auch zu retten, wenn die Gefahr bestand, abgerissen zu werden. Den Verein gibt's nicht mehr und ich war auf der Suche nach einem neuen Verein. Auf der Denkmalmesse Leipzig bin ich dann am Stand des Sächsischen Heimatschutz herausgekommen. Der Landesverband Sächsischer Heimatschutz ist ja sehr breit aufgestellt. Denkmalschutz ist nur ein Teil der Vereinsarbeit. Da geht es auch um Naturschutz und Volkskunde. Die haben sich gefreut über die Bereicherung durch meine Denkmal-Geschichte. Ich habe mich gefreut, wieder Anschluss zu haben und bin seit vier, fünf Jahren dabei, unter anderem in der Arbeitsgemeinschaft Dorfentwicklung. Außerdem geht es um Dorfentwicklung: Wie geht es weiter mit unserem Dorf in Sachsen? Wie kann man ein Dorf so gestalten, dass junge Leute dort gerne leben? Was macht ein Leben auf dem Dorf lebenswert? Hier in Helbigsdorf habe ich eine Beratungsstelle für den Landesverband, in der ich Menschen berate, die alte Häuser besitzen oder kaufen wollen und sich unsicher sind, was sie mit dem alten Haus machen können. Die Idee war, das vor Ort in einem alten Haus umzusetzen. Ich selbst wohne in einem Fachwerkhaus, wir haben kein Büro als Beratungsstelle, sondern können um das Haus gehen, können uns Wände, Dächer, Keller anschauen.

Was ist der Vorteil des Verbandes?

Zuerst einmal der Versicherungsschutz. Wenn ich Gäste hier habe zum offenen Hof, sind das schnell mal zwei-, dreihundert Leute. Der Verein bietet dann die Möglichkeit die Informationen zu verbreiten. Wichtig ist außerdem der Austausch. Dort gibt es Menschen, die auch an der Arbeitsgemeinschaft Dorfentwicklung, an alten Häusern interessiert sind, aber auch an modernem Leben auf dem Dorf. Dafür ist der Verein wichtig, dass da verschiedene Leute zusammenkommen, die zwar an einem Thema arbeiten aber aus verschiedenen Sichtweisen.

Sie sind über eine Messe zum Verein gekommen - wie gelangt der Nachwuchs denn sonst zu Ihnen?

Nachwuchsgewinnung ist ein sehr schwieriges Thema. Zum einen ist Vereinsarbeit sehr intensiv und nicht bezahlt. Jüngere Leute, die im Arbeitsleben stehen, Familie haben, haben dadurch ein Problem, sich zu entscheiden, mitzuarbeiten. Glücklicherweise engagieren sich bei uns trotzdem nicht nur ältere Leute. Uns ist es wichtig, das Wissen der Älteren weiterzugeben. Deswegen sind wir daran interessiert, neue junge Leute zu gewinnen. Aber das ist tatsächlich schwierig. Bei mir sind es zehn, 15 Stunden pro Woche, die ich ehrenamtlich beim Heimatschutz und in anderen Vereinen tätig bin. Das kann man nicht voraussetzen bei Leuten, die eine Familie und vielleicht eine Firma oder Beruf haben.

Der Name Sächsischer Heimatschutz - inwiefern steht der der Nachwuchsgewinnung im Weg?

Wenn ich im Freundeskreis für meinen Verein werbe, gibt es sofort Vorbehalte. Der Begriff Heimatschutz ist inzwischen belegt durch andere Vereinigungen aus dem rechten Spektrum, was uns wirklich fern liegt. Aber der Name ist nun mal so seit 1908. Inzwischen befinden wir uns in einem Prozess, bei dem wir uns fragen: Halten wir an dem Namen fest - warum halten wir daran fest? Warum stehen wir dazu? Oder warum würden wir bereit sein, den zu ändern. Auch um moderner zu werden und junge Leute zu gewinnen. Dazu kommt unser Logo in altdeutscher Schrift. Das hat seine Berechtigung, weil der Verein 1908 entstanden ist. Damals war der Begriff Heimatschutz ausschließlich positiv belegt. Das hat sich geändert. Jetzt müssen wir, der Vorstand und auch die Mitglieder, sehen, ob wir dazu stehen können.

Sie erwähnten bereits die Überschneidungen mit dem rechten Spektrum. Wie gehen Sie, wie geht der Verein damit um?

Es ist schwierig, weil wir als Verein natürlich offen sind für jeden. Aber es ist nicht das, was wir suchen. Unser Name ist einfach der Geschichte geschuldet. Also ja, wir sind offen für alle, aber es ist nicht unser Anliegen, irgendwelchem rechten Gedankengut zu frönen. Gleichzeitig können, wollen und dürfen wir auch niemanden ausschließen aufgrund seiner Ansichten. Ich denke, solange wir miteinander reden, ist es immer noch etwas anderes. Sicherlich sind in unserem Verein auch Menschen Mitglied, die eher auf der rechten Seite der Mitte stehen, genau wie wir welche haben, die eher links der Mitte stehen werden. Es ist ein wirklich bunter Verein, der die sächsische Bevölkerung abbildet.

Wie groß ist der Verband Sächsischer Heimatschutz?

Es sind auf jeden Fall weit über Tausend Mitglieder, weil wir viele Untergruppen haben, die wie ein eigener Verein tätig sind. Wir sind selbst dabei, so eine Untergruppe zu gründen. Wir haben das Projekt “Freilichtmuseum für Sachsen Mitte” und brauchen dafür einen Förderverein. Für uns ist es die einfachste Lösung, den Förderverein als Untergruppe des Landesverbands zu wählen. Für uns entfällt damit jede Menge Bürokratie. Trotzdem haben wir die Möglichkeit, wie ein eigenständiger Verein zu arbeiten. Auf die Art haben wir sehr viele Mitglieder, die in solchen Untergruppen tätig sind: Heimatgruppen der verschiedenen Dörfer, Vereine auf dem Land, in ländlichen Regionen, die möglicherweise besondere Bedingungen brauchen oder andere Bedingungen als in der Stadt. Die kleinen Vereine haben die Vorzüge unseres großen Vereins mit den vielen Mitgliedern, der damit auch schlagkräftig ist. Die sieben, acht Leute, die dann in einem Dorf in der Untergliederung sind, haben trotzdem den Rückhalt eines großen Vereins.

Wie genau gestaltet sich die Vereinsarbeit im ländlichen Raum?

Es ist eine relativ gleichbleibende Sache, weil die Vereine im ländlichen Raum überwiegend klassische Themen bearbeiten. Es gibt in der Regel den Feuerwehrverein, den Traditionsverein, im besten Fall einen Sportverein. Ich glaube, da gibt es keinen zu großen Rückgang, weil das tatsächlich weitergegeben wird. Es gehört einfach dazu, dass man im Feuerwehrverein ist. Wenn wir dann mit spezielleren Themen kommen, wie unserem Denkmalschutz, dann wird es schon schwieriger, auf dem Land Leute zu gewinnen. Zum Beispiel, der Förderverein für das Freilichtmuseum besteht erst einmal aus Leuten aus anderen Regionen Sachsens, weil es schwierig ist, in so einem kleinen Dorf die Menschen für eine neue Idee zu gewinnen. Inzwischen sind die ersten zwei, drei Personen hier vor Ort interessiert. So eine Geschichte kann nur von Innen heraus entstehen.

Sie versuchen, junge Mitglieder zu gewinnen, arbeiten daran, Ihr Image zu verändern. Was tun Sie noch?

Wir haben das mehrfach in den Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen besprochen, was Wege sein könnten, ob wir Anzeigen schalten oder mehr Artikel in die Zeitungen bringen, damit unser Verein überhaupt bekannt wird. Wir haben einen regelmäßigen Stammtisch, von dem wir hoffen, dass dort Leute einfach auf uns zukommen. Wir haben einen Messeauftritt zur Denkmalmesse. Wir versuchen im Moment viel.

Was brauchen Engagierte im ländlichen Raum, um ideal arbeiten zu können?

Am Ende läuft es leider immer wieder auf das Geld hinaus. Ob es um die Möglichkeit geht, ein Objekt zu mieten oder Dinge zu kaufen, die für eine Vereinsarbeit wichtig sind. Ob man da über Sponsoren Gelder bekommt, über Mitgliedsbeiträge, über Förderungen, das muss man im Einzelfall immer schauen. Und es braucht Mitglieder, die mitarbeiten. Unter zehn Leuten ist es schwierig, einen Verein am Leben zu halten.

Also wünschen Sie sich mehr Unterstützung seitens des Staates? Oder sagen Sie, eigentlich brauchen wir bloß mehr Förderung?

Dass es viel Bürokratie ist, einen Verein zu führen, ist klar. Deswegen haben wir uns als Untergruppe entschieden, keinen eigenen Verein zu gründen, sondern als Untergruppe des Landesverbandes zu arbeiten. Für mich ist es schwierig, junge Leute zu gewinnen. Die wollen sich nicht regelmäßig treffen, um viel Papier auszufüllen. Die wollen zu einer Aktion kommen, an einem Haus mitarbeiten oder irgendetwas Praktisches machen und nicht Papiere ausfüllen, die aber ebenso zur Vereinsarbeit dazugehören, oder die Finanzplanung machen und Abrechnungen. Sicher wäre es sinnvoll, Vereinsarbeit politisch einfacher zu gestalten, organisatorisch einfacher zu machen. Weniger Bürokratie ist auch immer gut. Am Ende läuft es aber wieder aufs Geld hinaus.

Wie kann man sich Ihre Vereinsarbeit vorstellen?

Unsere Mitgliederversammlung findet einmal im Jahr statt, verbunden mit einem Wochenende, an dem es Weiterbildungen gibt, Exkursionen und Führungen. Ein Engagement ist nie nur eine Pflicht, die man zu tun hat. In der Arbeitsgemeinschaft Dorfentwicklung treffen wir uns außerdem alle zwei Monate ganz klassisch mit Tagesordnungen, die vorher herumgeschickt und abgearbeitet werden. Bei uns in der Bauberatungsstelle gibt es keine klassische Vereinsarbeit, weil ich hier als allein Kämpfer mit zwei drei Leuten auf Abruf tätig bin.

Welche Schlüsse können Sie da möglicherweise ziehen aus ihren Erfahrungen - welches Interesse besteht am Erhalt und Schutz der Geschichte?

2017 gab es eine Studie für unser Bau-Kulturzentrum. In der Studie wurden drei Richtungen herausgearbeitet und eine wies in Richtung Freilichtmuseum. Die verfolgen wir heute. Am Anfang war unser Ziel ein klassische Freilichtmuseum. Nur haben die Menschen in so einem kleinen Dorf auch viele Vorbehalte: Wie viele Besucher kommen dann? Wie viele Fremde kommen? Wo parken die? Wie kommen die her? Wie kommen die wieder zurück? So eine Geschichte akzeptieren die Menschen hier nur, wenn wir auch für das Dorf etwas tun. Deswegen gibt es jetzt eine Gruppe von Leuten aus dem Dorf, die überlegen was das Freilichtmuseum für das Dorf bringen kann. Deren Mitglieder suchen Antworten auf Fragen wie: Kann das unser neuer Ort werden, wo wir aus der Tradition alte Häuser auch in Richtung Volkskunde gehen können? Kann das ein Ort sein, wo unsere Kinder spielen, sich unsere Jugendlichen treffen oder wo Tiere sind? In einem Freilichtmuseum leben oftmals Pferde, Kühe, Schweine. Können vielleicht unsere Kinder aus den umliegenden Kindergärten Patenschaften übernehmen. Wir suchen nach dem Mehrwert für die Region. Am Ende sind es so banale Sachen wie, dass seit Jahren am Wochenende kein Bus mehr in unser Dorf fährt, weil es sich nicht mehr gelohnt hat. Vielleicht holen wir mit so einem Museum auch wieder einen Bus ins Dorf. Das wäre eine kleine Sache, die eine große Veränderung brächte.

Was bedeutet denn Heimat für Sie?

Heimat ist eine schwierige Frage. Es ist nicht bloß der Ort, an dem man sich wohlfühlt. Ich habe mich als Kind woanders wohl gefühlt als jetzt. Für mich hängt es an allem, was mit dem Ort verbunden ist, ob ich die Menschen, die Städte gut oder schlecht leiden kann. Ich fühle mich beheimatet zwischen Fachwerkhäusern, weil es mein Thema ist, weil ich die gerne habe. Insofern denke ich, dass Heimat wie ein großer Kochtopf ist, in dem sich ganz viele Zutaten befinden. Und nur, wenn die sehr gut aufeinander abgestimmt sind, kann es wirklich Heimat sein. Es gibt durchaus zwei, drei Kochtöpfe gleichzeitig, aus denen es gut schmeckt und so sollte es auch zwei, drei Heimaten geben, in denen man sich wohlfühlt.

Wozu brauchen wir dann Heimatschutz?

Unser Verein ist, wie gesagt, sehr breit aufgestellt. Er bearbeitet nicht nur das Thema Denkmalschutz, sondern auch Naturschutz, Volkskunde und ähnliches. So ein Verein hat die Aufgabe eines Wächters, damit Dinge nicht verloren gehen, ob das die Tradition der Kleidung ist in manchen Regionen, ob das die Tradition der Bauweisen ist oder ob es tatsächlich die Natur selbst ist. Insofern denke ich, so ein Verein ist ganz wichtig, um alle diese Zutaten, die Heimat ausmachen, zu bewahren.

Haben Sie den Eindruck, dass der ländliche Raum durch Männerüberschuss, Abwanderung kluger Köpfe in die Städte in andere Bundesländer, aufgrund demographischer Entwicklungen ein Imageproblem hat?

Auf der einen Seite nehme ich dieses Imageproblem auch wahr. Auf der anderen Seite hat der ländliche Raum gerade auch so eine romantisierte Seite, befeuert durch Zeitschriften wie Landlust oder Landliebe, die dieses Ländliche, dieses Gemütliche betonen. Die schöne Fassade, an der Blumen hochwachsen, eine Kuh, die “Muh” macht. Ganz schnell merkt man irgendwann aber, die Kuh macht nicht bloß “Muh” die kackt auch auf die Straße. Es stinkt, das Land. Trotzdem hat das Land natürlich auch Probleme, mit denen es kämpft. Ich sehe aber auch zum Beispiel dieses Idealisierte als Problem. Als Verein können wir dazu beitragen, ein realistisches Bild vom ländlichen Raum zu reproduzieren, auch zu gucken, wie kommen Menschen denn überhaupt in dieses romantische Dorf, ob es noch einen Bus gibt, ÖPNV. Durch Petitionen, Positionspapiere und so weiter können wir versuchen, diese Infrastruktur, die das Leben auf dem Land möglich und lebenswert macht, voranzubringen.

Sollte ein Dorf nicht genau so wandelbar sein wie eine Stadt und wachsen und vergehen?

Wachsen auf jeden Fall. Wenn zwischen den alten Häusern mal ein neues gebaut wird, dann soll es gerne neu gebaut sein. Vor allen Dingen auch aus ökologischen Aspekten modern gebaut, weil es dann zu der Zeit passt und gehört. Aber das, was vor zwei-, drei-, vierhundert Jahren gebaut wurde, ist für mich wichtig zu erhalten, weil es diese Heimatkomponente hat. Wenn alle alten Häuser nur noch nach einer gewissen Halbwertzeit abgebaut und stattdessen neue gebaut würden, dann ginge für mich ein Stück Heimat verloren. Entsteht zwischen den schönen alten Häusern ein schönes modernes Haus, dann wächst Heimat.