Frauen in der kommunalen Demokratie

Selbst heute sind bundesweit nicht einmal ein Drittel aller kommunalen Mandatsträger weiblichen Geschlechts. Unter den Bürgermeister*innen Deutschlands finden sich kaum 10% Frauen. Warum sind Frauen in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert und wie lässt sich das ändern?

In Sachsen hat sich die Geschlechterparität in den letzten Jahren kaum verbessert. Während sich z.B. in den Parlamenten kreisfreier Städte der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bereich von 30% bis knapp unter 40% bewegt, sind es in den Landkreisen zwischen 14% und 21% (2021). Die Unterrepräsentation ist offenkundig, in den ländlichen Regionen sogar dramatisch. Es braucht aber Frauen in der Kommunalpolitik, weil für sie vielfach andere Themen relevant(er) sind und ihre Positionen in so zentralen Politikbereichen wie Sozialpolitik, Bildung, Ökologie oder regionaler Strukturwandel sich typischerweise von Männerpositionen unterscheiden und insofern wichtige Alternativen formulieren.

Ursachen für die Mindervertretung von Frauen

Wissenschaftliche Untersuchungen haben drei Ursachenkomplexe für die Unterrepräsentation von Frauen und als Hindernisse für eine stärkere Partizipation identifiziert:

  1. Kommunalpolitik ist eingebettet in die übergreifenden geschlechtlichen Arbeitsteilungen, Verteilungsregeln oder Chancenstrukturen unserer Gesellschaft. Wenn daher Frauen in ihren beruflichen Karrieren gegenüber Männern benachteiligt werden, im Durchschnitt weniger Einkommen erzielen, in weniger anerkannten Berufen tätig sind oder die Hauptlast familiärer Sorgearbeit tragen, sinken die Chancen einer Geschlechterparität auch in der Kommunalpolitik.
  2. Eine stark männlich geprägte und Männer bevorteilende politische (Macht-)Kultur verhindert die stärkere Partizipation von Frauen, wobei normative Rollenzuweisungen („Frauen sind für Politik nicht geeignet“) eine ebenso wichtige Rolle spielen wie informelle Netzwerke und Absprachen der Männer (Hinterzimmerpolitik, Fußballverein) sowie dominierende Anerkennungs- und Kommunikationsregeln („... in der Politik muss man selbstbewusst auftreten und sich Gehör verschaffen!“).
  3. Schließlich erschweren männlich dominierte Arbeits- und Organisationskulturen weibliche Mandatsübernahmen. Nach der herrschenden Norm ist das private Lebens der Politik und dem Amt unterzuordnen, was perma­nente Verfügbarkeit, ausgedehnte Arbeitstage oder überlange Sitzungen der Gremien bedeutet. Familienle­ben und familiäre Sorgearbeit erscheinen demgegenüber irrelevant oder werden als Grund angeführt, Kandidatinnen für ungeeignet zu halten.

Handlungsempfehlungen für Engagementstärkung und Paritätsgewinnung

Wissenschaftliche Studien empfehlen vor allem:

  • Die stärkere Selbstorganisation der Frauen, um sich als Gruppe Ideen auszutauschen, voneinander zu lernen, Solidarität und Ermutigung zu erfahren und eigene Interessen durchzusetzen (wie Landesfrauenrat, Initiativen oder Netzwerke wie Frauen.Wahl.Lokal).
  • Die Einführung einer (verbindlichen) Frauenquote für die Aufstellung von Kandidatinnen und Anzahl von Mandatsträgerinnen in den politischen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen.
  • Das aktive Zugehen auf potentielle Mandatsträgerinnen sowie das Aufzeigen von weiblichen Vorbildern – gerade im ländlichen Raum (z.B. über Mentoring-Programme).
  • Die Berücksichtigung familiärer (Kinder, zu pflegende Eltern usw.) und beruflicher Belastungsphasen und -situationen, d.h. die Problematisierung und Erarbeitung von praktischen Vereinbarkeitslösungen (wie Doppelspitzen/Tandemlösungen, neue Funktions- und Arbeitsteilungen, Änderung von Sitzungszeiten und -längen, Organisation von Unterstützungsangeboten).
  • Die Durchsetzung von nicht-patriarchalen Kulturen und Kommunikationsstilen (wie konsequente Ahndung sexistischen Verhaltens, zivile Streitkultur, quotierte Rednerlisten, begrenzte Redezeiten, Anerkennung von Mentalitäten der Zurückhaltung, Selbstbeschränkung und defensiver Selbsteinschätzung).

Dr. Julia Gabler ist Sozialwissenschaftlerin und hat als Journalistin gearbeitet. Seit 2020 vertritt sie die Professur für den Studiengang Management Sozialen Wandels an der Hochschule Zittau/Görlitz. Ihre Forschungsthemen sind u.a. die Stadt- und Regionalforschung zu Klein- und Mittelstädten sowie ländlichen Regionen im Umbruch und die empirische Geschlechterforschung mit dem Fokus auf demografische Entwicklung, Strukturwandel, Sozialkapital und Nachhaltigkeit.

Prof. Raj Kollmorgen ist Soziologe und lehrt am Forschungsinstitut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung (TRAWOS) an der Hochschule Zittau/Görlitz. Seit März 2020 ist Kollmorgen Prorektor Forschung der Hochschule Zittau/Görlitz.

Weitere Informationen zum Thema und Möglichkeiten zur Diskussion bietet die Veranstaltung „Wir können das! Frauen in die Kommunalpolitik“ am 26. Januar um 19:00 Uhr im Rathaus Meißen

Im neuen Sammelband "Frauen in Sachsen. Politische Partizipation in Geschichte und Gegenwart" präsentieren namhafte Autorinnen und Autoren Beiträge zum langen Ringen um die Gleichberechtigung von Frauen in Sachsen. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit vom ausgehenden 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.