Intensive Diskussionen – trotz Ermüdung. SLpB-Partnerkonferenz 2023. Teil 2

„Krise der westlichen Wertegemeinschaft? Herausforderung für Demokratie und politische Bildung“ – das war Thema der diesjährigen Partnerkonferenz der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB). Die Tagung fand am 27. September 2023 in der Messe Leipzig statt. Über 100 unterschiedliche Akteure politischer Bildung in Sachsen kamen zusammen, um sich auszutauschen und miteinander zu vernetzen: Themenräume, selbst organisierte Workshops und der Markt der Möglichkeiten boten dazu Gelegenheiten. In Teil 2 des Blog-Beitrags bringt unser Autor Eindrücke aus Diskussionen und den Workshops am Nachmittag mit.

Der überaus spannenden Auftaktdiskussion folgte ein besonderer Programmpunkt: Statt direkt nach dem Podium einzelne Fragen des Publikums zuzulassen, bestand nach einer Café-Pause die Möglichkeit, den einzelnen Podiumsgästen in Themenräume zu folgen. Dort wurden die jeweiligen Fragestellungen und Fachthemen mit den einzelnen Gästen vertieft und intensiv in kleinerer Runde diskutiert.

Was dabei auffiel: Die politischen Bildner und Bildnerinnen sind offenkundig verunsichert. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung in Sachsen wirkten viele Fragen vorsichtig und aus der Defensive heraus. Umso spannender war es, den jeweiligen Referierenden bei den Berichten über ihre Arbeit und ihr Wirken zuzuhören. Diskutiert wurde etwa über neue Wege in der Demokratie-Förderung, mögliche Entwicklungen in den sozialen Netzwerken oder auch den Erfolgen von Transparency International.

Im gemeinsamen Themenraum von Apolena Rychliková und Christoph von Marschall beispielsweise ging es um Irritationen, die gar nicht so sehr die politische Bildung betreffen, sondern die gesellschaftliche Debattenkultur insgesamt. „Identität ist immer sehr vielschichtig“, betonten beide. Von Marschall kritisierte vor allem Instrumentalisierungs-Strategien im Wahlkampf: „In sehr vielen Wahlkampf-Broschüren ist das Opfer-Narrativ extrem groß. Die Parteien wollen und sollen aber doch die Menschen ermächtigen. Das Opfer-Narrativ sollte man immer sofort hinterfragen!“, empörte er sich.

Über 100 Teilnehmende

„Partnerkonferenz“ – das steht dafür, die unterschiedlichen Akteure der politischen Bildung miteinander zu vernetzen. Das geschah beim gemeinsamen Mittagessen und dem Markt der Möglichkeiten, auf dem die verschiedenen Institutionen der politischen Bildung ihre Aktivitäten an Ständen präsentierten. Die über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Erwachsenen- und schulischer Bildung, von Stiftungen, Vereinen, Behörden und Trägerinstitutionen aus ganz Sachsen nutzten die Gelegenheit intensiv, ins Gespräch zu kommen. In der Workshop-Phase am Nachmittag wurde der Austausch vertieft.

Den Impuls für den Nachmittag gab der emeritierte Professor für politische Didaktik, Prof. Dr. Wolfgang Sander. Er hatte vier Thesen mitgebracht, die er kurz erläuterte: Etwa, dass sich die politische Bildung neuen Themen und anderen Perspektiven öffnen müsse. Explizit sprach Sanders eine Vertiefung der außen- und sicherheitspolitischen Themen an und schlug damit eine Brücke zur Partnerkonferenz des letzten Jahres. Europa müsse endlich die eigene Identität klären – auch in Hinblick auf weiteres Wachstum. Außerdem solle sich die politische Bildung gegen Instrumentalisierung wehren sowie intensiver und kritisch mit der Digitalisierung auseinandersetzen, forderte Sanders.

Partizipativ: Vielfältige Workshops

Dem thematischen Impuls folgte ein weiterer partizipativer Teil im Programm: Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, im Vorfeld der Konferenz vorbereitete oder spontan entwickelte Workshop-Runden anzubieten. „Wie aggressiv dürfen wir Social-Media nutzen, um Wählende aufzuklären?“, war zum Beispiel eines der Diskussionsangebote. Andere Workshops thematisierten die Grenzen wie auch neue Wege in der politischen Bildung, etwa im ländlichen Raum oder durch ein Angebot mit Holzschnitzkunst.

„Chancen und Hürden – (Wie) funktionieren Beteiligungsformate in der politischen Bildung?“ war ein weiterer Workshop, der aus der freien Trägerschaft heraus angeboten wurde. Aber auch die Grenzen der Wertediskussion wie der politischen Bildung selbst, wenn es um Kritik am politischen System und den Verhältnissen geht, wurden diskutiert.

Harte Debatten statt Politikverdrossenheit

Die Workshops hatten den Auftrag, Denkanstöße und Thesen für die große Abschlussrunde zu erarbeiten, was intensiv genutzt wurde. Sie sollen hier nicht im Detail wiedergegeben werden, vielmehr soll eine Beobachtung und Feststellung diesen Text schließen: Trotz aller Diskussion über Krisen und wachsenden gesellschaftlichen Unmut über die Demokratie war an dem Tag auch unermüdliches Engagement der Szene wie auch ein gewisser Optimismus zu erkennen. Die erarbeiteten Kernthesen aus den Workshops finden Sie in unserer Konferenz-App

Jakob Guhl hatte es in seinem Eingangsstatement auf dem Podium ganz am Anfang des Tages im Grunde schon auf den Punkt gebracht: „Ich erinnere mich gut daran: Vor einigen Jahren gab es große Debatten, was gegen Politikverdrossenheit zu tun sei. Davon habe ich lange nichts gehört“, führte er aus. „Dafür haben wir heute heftige und harte Debatten.“

Was auch etwas Gutes mit sich bringt: Denn die Möglichkeit, Probleme zu erkennen, zu diskutieren und daraus Ableitungen zu bilden, ist schließlich eine der großen Errungenschaften, die sich unsere Gesellschaft erarbeitet hat. Das funktioniert, solange es zivilisiert zugeht, Offenheit für die Gegenseite besteht und trotz aller Widersprüche Gemeinsamkeiten gesucht werden. Eröffnen wir alle also weiterhin Räume dafür – so wie die Partnerkonferenz der SLpB.

Teil 1 der Tagungsdokumentation

Programm, Hintergrundinformationen und Ergebnisse finden Sie in unserer Konferenz-App  Im Programm-Bereich sind alle Programmpunkte und Mitwirkende hinterlegt. Die Workshop-Ergebnisse sind bei den jeweiligen Workshops abgespeichert.