Erstes Vernetzungstreffen Schule im Dialog Sachsen

Seit einem Jahr steht mit „Schule im Dialog Sachsen“ den sächsischen Schulen ein Angebot der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung. Zentrales Anliegen ist es, die Kommunikations- und Beteiligungskultur an Schule zu stärken. Ein jährliches Vernetzungstreffen will die vielen engagierten schulischen und außerschulischen Akteure politischer Bildung und Demokratiebildung in Sachsen in einen Dialog bringen und über Wirksamkeit und Nachhaltigkeit politischer Bildung in Schule sprechen. Ein Bericht des ersten Treffens vom 14. November 2019.

Wie wäre es mit einem schulischen Projekttag zu Flucht und Asyl? Zu fairem Handel, Menschenrechten, Kinderrechten, Selbstverantwortung oder Verschwörungstheorien? Oder lieber der Frage nach Identität und Heimat nachgehen, sehen, ob sich Moral trainieren lässt? Und was ist eigentlich mit dem Regenwald?

Themen und Träger politischer Bildung, die diesen Fragen nachgehen, gibt es mannigfach im Land. An Projektanbietern, Projektkoordinatoren und Projektverantwortlichen fehlt es nicht. Schülerinnen und Schüler fast jeden Alters und jeder Schulform haben jederzeit die Möglichkeit, Angebote außerschulischer Vereine, Organisationen und Institutionen wahrzunehmen. Wie nachhaltig und sinnvoll Projekte politischer Bildung in der Schule sind, welche Faktoren eine Rolle spielen und wer auf dem Markt die Player sind, auf die es ankommt, wollte die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) mit ihrem ersten Vernetzungstreffen Schule im Dialog am Donnerstag, dem 14. November 2019, klären. Mit knapp 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern außerschulischer und schulischer Akteure politischer Bildung haben wir einen großen Teil der Beteiligten zusammengebracht, um einen Dialog untereinander und zum Thema Nachhaltigkeit anzustoßen.

In Kooperation mit dem Weißeritzgymnasium in Freital konnte dem Treffen zudem beispielhaft die Praxis vorangestellt werden: Unter dem Motto „Weißeritz aktiv – pimp my school“ haben außerschulische Akteure am Vormittag für alle Schülerinnen und Schüler der Klassen sechs bis elf 25 Workshops und einen Open Space angeboten. Gäste waren willkommen und konnten sich den Workshops anschließen. Parallel bestand für das Kollegium des Weißeritzgymnasiums die Möglichkeit, an eigens für sie organisierten Workshops teilzunehmen.  An diesem Vormittag betrat das Gymnasium Neuland – trotz erheblichen Organisations- und Arbeitsaufwands ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Wenke Hentschel, eine der beiden Projektverantwortlichen der Schule.

In einer Fishbowlrunde beim Vernetzungstreffen am Nachmittag zeigten sich notwendige Voraussetzungen und typische Hindernisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit von Projekten politischer Bildung an Schulen.  SLpB-Direktor Dr. Roland Löffler: „Was von Anfang an bedacht werden muss, sind die unterschiedlichen Interessen von Projektanbietern und Schulen. Die jeweiligen Vorstellungen müssen genau abgeglichen werden. Die Qualität von Schulkonzept und Projektarbeit müssen passen und konsequent umgesetzt werden.“ Er sprach damit Punkte an, die Erfahrungsberichte in der folgenden Diskussion untermauerten, deren Umsetzung jedoch Entwicklungspotenzial hat: Angefangen mit einer zur Schule passenden Konzeptentwicklung, einer deutlichen Auftragsklärung und der Auswahl der richtigen Zielgruppen bis zur nicht unerheblichen Frage, ob der Klassenlehrer beim Workshop mit dabei sein darf, müssten die Projektpartner Hand in Hand arbeiten, im besten Fall eine Entwicklungspartnerschaft eingehen, wünschten sich die Teilnehmenden. Entwicklungspartnerschaft bedeute auch Verbindlichkeit und Kontinuität. Das seien notwendige Voraussetzungen für Nachhaltigkeit, denn Haltungswechsel bräuchten Zeit. Praktisch scheitere dies aus Sicht mancher Projektanbieter beispielsweise daran, dass Lehrerwechsel in rascher Folge die persönliche und inhaltliche Zusammenarbeit und Weiterentwicklung bereits begonnener Projekte erschwerten oder unmöglich machten. Jedes Mal müsse mit einer neuen Lehrerin, einem neuen Lehrer von vorn begonnen werden.

Auf der anderen Seite erhalten außerschulische Projektträger öffentliche Finanzierungszusagen in der Regel nur für zwei Jahre, was es ihnen nicht ermöglicht, verbindliche Zusagen gegenüber einer Schule für die Zukunft  zu machen. „Wir müssen weg von der zwei-Jahres-Logik“, forderte SLpB-Direktor Löffler, „um Verlässlichkeit und den Aufbau einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Anbietern politischer Bildung zu ermöglichen.“ Er plädierte für Planungen über einen Zeitraum von mindestens drei, besser noch fünf Jahren.

Deutlich wurde, dass Lehrerinnen und Lehrer beim Thema politische Bildung, Auswahl der Angebote und Weiterarbeit mit den Ergebnissen mitgenommen werden müssen. Kollegium und Schulleitung bringen, ausgehend von den geäußerten Erfahrungen, nicht immer ein gleich großes Interesse auf. Häufig sind es einzelne engagierte Lehrerinnen oder Lehrer, die den Karren ziehen.  „Wo bleibt die Schule?“, lautete dementsprechend die Frage der außerschulischen Projektträger, die oft nicht sehen, ob ihre Impulse aufgenommen und Themen im Unterricht oder Schulleben vertieft werden. Die Projektverantwortliche für Schule im Dialog und Koordinatorin Schule bei der SLpB, Heike Nothnagel, sagte: „Was ich häufig beobachte ist, dass wir sehr gute Angebote außerschulischer Partner haben und dann nichts passiert. Es geht nicht weiter. Das hat eine Wirkung auf die Schüler. Nachhaltigkeit bedeutet, dass alle Beteiligten Haltungen entwickeln.“  Aus dem Publikum gab es jedoch auch den Vorwurf von Lehrerinnen oder Lehrern: „Ihr stoßt etwas an und lasst uns dann allein.“

Der zu Beginn von Heike Nothnagel provokant aufgestellten These, außerschulische Akteure politischer Bildung hätten keinen Einfluss auf die Nachhaltigkeit, widersprach Moderator Tobias Heinemann am Ende des Nachmittags: „Außerschulische Akteure leisten einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit.“

Das erste Vernetzungstreffen legte eine Reihe von Stellen offen, an denen es noch im Getriebe knirscht auf dem Weg zu fruchtbaren Entwicklungspartnerschaften.  Projektanbieter und Schulen, engagiert oder lediglich pflichterfüllend, können jedoch nicht ohne einander an der Nachhaltigkeit politischer Bildung arbeiten.

Das Weißeritzgymnasium in Freital jedenfalls hat nun die Chance, einen Berg von Impulsen und Ergebnissen aus den Workshops und dem Open Space des Vormittags für eine ganze Schule aufzugreifen: so einfache Dinge wie das Aufstellen eines Getränkeautomaten, kombiniert mit entsprechenden Regeln, die Einführung des Schulfachs Berufsorientierung oder auch mehr Mitspracherecht im schulischen Alltag.

Der Auftrag an die Schule und die beteiligten Projektträger ist es nun, die Begeisterung der Schülerinnen und Schülern nicht verpuffen zu lassen und Strukturen für eine Nachhaltigkeit politscher Bildung in der Schule zu schaffen.