Gemeinsam für ein besseres Internet: Wie können wir konkret auf EU-Digitalpolitik Einfluss nehmen?

Zur zweiten Runde der Reihe „Digital Fight Club“ im Dresdner Kraftwerk Mitte war Elina Eickstädt, die europapolitische Sprecherin vom Chaos Computer Club, eingeladen. Sie berichtete von der Initiative gegen die sogenannte Chatkontrolle und darüber, wie die Zivilgesellschaft auf Entscheidungen der Europäischen Union Einfluss nehmen kann. Der Digital Fight Club ist eine Kooperation des Medienkulturzentrums Dresden e.V., der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes und der Volkshochschule Dresden.

Wie die Europäische Union arbeitet, wirkt auf viele Menschen kompliziert und fern. Elina Eickstädts lebendige Erzählungen wecken sofort Interesse und machen klar: Europäische Politik betrifft unseren Alltag. Die Informatikerin ist europapolitische Sprecherin des Chaos Computer Clubs und seit zwei Jahren aktiv in der Kampagne „Chatkontrolle stoppen“, außerdem engagiert sie sich für weiblichen Nachwuchs in der Informationstechnologie.

Eickstädt zeigte in ihrem Impulsvortrag und der anschließenden Diskussion auf, dass es neben der Beteiligung an der Europawahl auch die Möglichkeit gibt, an verschiedenen Stellen Einfluss zu nehmen, wenn EU-weite Gesetze oder Richtlinien auf den Weg gebracht werden. Anhand ihrer eigenen Geschichte wird deutlich, dass politisches Engagement etwas bewirken und auch spannend sein kann.

Im Ziel sind sich alle einig, doch die Mittel sind hoch umstritten

Eickstädts Geschichte beginnt 2022. Damals machte die EU-Kommission einen Vorschlag für ein Gesetz gegen die digitale Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten: Auf jedem Gerät eines Internetnutzers solle ein KI-Programm alle Chat-Nachrichten vor dem Absenden durchsuchen und strafrechtlich relevante Texte, Bilder oder Videos automatisch an Ermittlungsbehörden melden. Diese sogenannte Chatkontrolle ist der Kern eines bis heute umstrittenen Gesetzespaketes.

Dem Ziel des Gesetzes an sich stimmen im Grunde alle zu. Doch die Kritik an den gewählten Mitteln ist groß. Um nur ein paar zu nennen: Die Verschlüsselung von Nachrichten über Messenger wie WhatsApp oder Signal würde aufgebrochen und digitale Privatsphäre aufgehoben. Technisch sei kein verlässliches Erkennen strafbarer Inhalte möglich. Eine immense Zahl von täglich falschen Meldungen würde Ermittlungsbehörden überlasten und Unschuldigen Probleme bereiten. Zudem werden in der Regel Bilder von Kindesmissbrauch selten über Messenger-Dienste ausgetauscht, sondern zumeist verschlüsselt auf Cloudserver hochgeladen.

Eickstädt ist überzeugt: „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Probleme, die sich in den digitalen Raum verlegen, allein digital gelöst werden können.“ Kindesmissbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches und kein technologisches Problem. Sie plädiert stattdessen für mehr Aufklärung, Medienbildung, Therapie, Kinderschutz und Sozialarbeit.

Stellungnahmen, Wahlentscheidungen und Kontaktieren von Abgeordneten

Von Beginn an mischte sich daher Eickstädt und mit ihr eine wachsende Zahl von engagierten Menschen und mittlerweile 133 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Europa ein. Sie wandten sich mit Stellungnahmen an die Kommission und das EU-Parlament. Denn dorthin wandert ein Vorschlag und wird in Fachausschüssen und in Facharbeitsgruppen diskutiert. Eickstädt verweist darauf, wie wichtig daher die Wahlen zum Parlament seien, die in Deutschland am 9. Juni stattfinden.

Wer sich vor den Wahlen informieren möchte, welche Partei zu einem Thema welche Positionen vertritt, dem empfiehlt sie einen Blick in die Wahlprogramme und die gezielte Suche darin mit Schlagworten wie „Chatkontrolle“. Zudem wird es wieder den Wahl-O-Mat geben und einige Organisationen, die zu verschiedenen Themen Wahlprüfsteine veröffentlichen. Zur Digitalpolitik, vermutet Eickstädt, werde auch das Online-Portal Netzpolitik.org wieder eine Zusammenstellung veröffentlichen. Man solle sich auch nicht scheuen, bei den eigenen Kandidaten und Kandidatinnen direkt nachzufragen.

Auch in die Debatten des EU-Parlamentes könne man sich laut Eickstädt einbringen, indem man die eigenen Vertreterinnen und Vertreter kontaktiert. In der Regel antworten ihrer Erfahrung nach Mitarbeitende und Abgeordnete auf E-Mails oder Anrufe. Mitarbeitende des Parlaments seien oft sehr dankbar für fachkundige Hinweise. Doch auch Menschen ohne tiefere Kenntnis könnten Sorgen, Unklarheiten oder Anregungen an die Abgeordneten tragen.

(In-)Transparenz und wie man seine Informationsrechte wahrnimmt

Beschließt letztlich das EU-Parlament einen Entwurf, landet dieser im Trilog. Dort beraten und streiten Vertreter aus Kommission, Rat und Parlament in einer zumeist sehr langen, schlaflosen Sitzung über die letztendliche Fassung. Hier gibt es deutliche Kritik von Eickstädt und den Gästen im Raum. Denn wer genau in einem Trilog mitredet und wie die Entscheidungen gefällt werden, ist nicht wirklich transparent.

Eine Initiative für mehr Transparenz gibt es von der Organisation „Frag den Staat“. Über deren Webseite kann man auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes alle möglichen Dokumente auch der EU erfragen. Eickstädt ruft dazu auf, Informationsrechte wahrzunehmen. Einsicht zu nehmen in Abläufe, Diskussionen und Pläne sei essentiell, um sich einmischen zu können. Die zukünftigen Vorhaben der Kommission kann man über den sogenannten Fahrplan einsehen.

Erfolge von politischem Engagement und was auf Dauer motiviert

Rückblickend auf zwei Jahre Engagement kann die Initiative gegen die Chatkontrolle aus Eickstädts Sicht so manchen Erfolg verbuchen: Das Vorhaben sei zwar nicht gestoppt, aber ausgebremst. Sehr positiv wertet sie, dass sich viele Initiativen rund um das Thema Kinder- und Jugendschutz miteinander vernetzt haben. Von einem Gast gefragt, wie sie ihren Optimismus behält, gibt sie mehrere Antworten:

Sie sagt, politisches Engagement „kann total schön sein, gerade in Gemeinschaft“. Im Vergleich zu anderen Ländern habe sie zudem gelernt, gäbe es in Deutschland ein sehr hohes Bewusstsein für Verschlüsselung und das Recht auf Privatsphäre. Auch habe ihr die Zeit gezeigt: So komplex und zäh die EU manchmal sein könne, „so menschlich ist das Konstrukt“. Alle Menschen würden auch mal Fehler machen, aber viele seien zugänglich und offen für Argumente.

Besonders wichtig findet sie, dass man nicht allein für seine Anliegen streitet, sondern sich mit anderen zusammenschließt. Denn man brauche einen langen Atem und müsse sich auch mal rausnehmen können. Was sie stark motiviere sei das Wissen darum, dass die meisten Rechte über lange Zeiträume und von vielen Menschen erkämpft worden sind. Sie sagt, vieles stehe einfach auf dem Spiel, und auf diese Weise könne sie ein bisschen zu einer besseren Welt und einem besseren Internet beitragen.

Miteinander für ein besseres Internet zu streiten und einzutreten – das ist das Thema des Digital Fight Club. Die nächste Runde findet wieder im Medienkulturzentrum Dresden statt, am 8. Mai um 19 Uhr. Zu Gast ist Anna Biselli von netzpolitik.org mit dem Thema: „Überwachung ist nicht die Antwort auf alle Probleme“.