Der Bundesrat stellt die Länderkammer im deutschen Parlamentarismus dar und ist neben dem Bundestag zuständig für das Erarbeiten und Verabschieden von Bundesgesetzen. Er hat die Aufgabe, die Interessen der Bundesländer in die Gesetzgebung der Bundesrepublik einzubringen und zu verhindern, dass der Bundesstaat seine Kompetenzen überschreitet und damit den deutschen Föderalismus gefährdet. Er wird nicht direkt durch die Bevölkerung gewählt, sondern setzt sich aus den Mitgliedern der Landesregierungen zusammen. Der Bundesrat tagt etwa 12 Mal im Jahr in Berlin, mitunter allerdings häufiger, wenn es dringliche Gesetzgebungsvorhaben erfordern oder Meinungsverschiedenheiten mit dem Bundestag einen erhöhten Verhandlungsbedarf nach sich ziehen. 

Zusammensetzung

Da sich der Bundesrat immer aus den jeweils aktuellen Landesregierungen zusammensetzt, handelt es sich um ein ständiges Gremium ohne Legislaturperioden. Sobald sich die Regierung eines Bundeslandes nach Landtagswahlen oder aus anderen Gründen neu formiert, ändert sich entsprechend das Personal im Bundesrat schon zur nächsten Sitzung. Die Länder erhalten je nach Bevölkerungszahl zwischen drei und sechs Stimmen im Bundesrat, auf Sachsen entfallen derzeit vier Stimmen. Diese Stimmenverteilung stellt einen Kompromiss zwischen Relevanz der Länder auf Bundesebene und dem Prinzip dar, dass allen Ländern in ihrer Eigenständigkeit ein Einfluss auf die Gesetzgebung gewährt werden soll. Insgesamt besteht der Bundesrat zu jedem Zeitpunkt aus 69 Mitgliedern. Den Vorsitz im Bundesrat übernimmt immer jeweils ein Bundesland für ein Geschäftsjahr, wobei ein Rotationsprinzip dafür sorgt, dass alle Bundesländer den Vorsitz einmal innehatten, wenn nach 16 Jahren ein neuer Zyklus einsetzt.

Grafik: Bundesrat, unverändert. Lizenz: Creative Commons BY-NC-ND.

 

Verteilungsschlüssel der Stimmen im Bundesrat

3 Stimmen bei weniger als zwei Millionen Einwohnern

4 Stimmen ab zwei Millionen Einwohnern

5 Stimmen ab sechs Millionen Einwohnern

6 Stimmen ab sieben Millionen Einwohnern

Einfluss des Bundesrates auf die Gesetzgebung

Der Bundesrat wirkt in der Gesetzgebung auf Bundesebene mit, seine Zuständigkeit beschränkt sich jedoch auf bestimmte Bereiche. Dabei unterscheidet man „Zustimmungsgesetze“ von „Einspruchsgesetzen“. Bei Zustimmungsgesetzen ist die Kompetenz der Länder direkt berührt, ein Gesetz dieser Kategorie wird dem Bundesrat nach Beschluss im Bundestag zugeleitet und bedarf der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder. Bei Einspruchsgesetzen hingegen wird der Bundesrat nicht direkt befragt, sondern kann die Verabschiedung des Gesetzes nur mit einem Einspruch verhindern. Wird dieser Einspruch mit absoluter Mehrheit beschlossen (35 Stimmen), kann der Bundestag den Einspruch wiederum mit ebenfalls absoluter Mehrheit (Hälfte aller Stimmen, bei gerader Anzahl eine Stimme zusätzlich) abweisen. Beschließt der Bundesrat seinen Widerspruch hingegen mit Zweidrittelmehrheit (46 Stimmen), bedarf es im Bundestag einer entsprechenden Zweidrittelmehrheit, um die Blockade aufzuheben. Bei Grundgesetzänderungen bedarf es grundsätzlich einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Dabei wird für jedes Bundesland nur genau ein Abstimmungsverhalten registriert, die Stimmen können innerhalb der Landesregierung also nicht, beispielsweise nach Koalitionslogik, aufgeteilt werden. Wenn sich also beispielsweise eine Koalition aus CDU und SPD nicht auf eine gemeinsame Position einigen kann, so werden die Stimmen des Bundeslandes automatisch als Enthaltung in der Sachfrage registriert. Da viele verschiedene Koalitionsmodelle in den Ländern existieren (und noch deutlich mehr, unterscheidet man über die beteiligten Parteien hinaus noch nach Junior- und Seniorpartner der jeweiligen Koalition), ist die Mehrheitsfindung im Bundesrat in der Regel auf einen komplizierten und langwierigen Prozess des Ausgleichs zwischen den Interessen der verschiedenen Länder, aber auch der im Bundestag vertretenen Parteien gekennzeichnet.

Als der Bundesrat 1949 im Grundgesetz verankert wurde, ging man davon aus, dass etwa 10% aller Bundesgesetze zustimmungspflichtig sein würden. Im Laufe der Zeit belief sich dieser Wert jedoch auf fast die Hälfte aller Gesetze, sodass es immer schwieriger wurde, Reformen in bestimmten Bereichen durchzusetzen. Aus diesem Grund verhandelten Bund und Länder in einem langwierigen Prozess über eine Neuordnung der Zuständigkeiten im Zuge der sogenannten „Föderalismusreform“, welche schließlich im Jahr 2006 zu einer weitreichenden Änderung des Grundgesetzes führte. Seitdem bedürfen etwa 38% der Gesetze im Bundestag die Zustimmung des Bundesrats.

Blockadeinstrument der Oppositionsparteien?

Auch wenn die Vermutung nahe liegt, dass die Oppositionsparteien des Bundestages auf diese Weise versuchen, die Gesetzgebung der Regierungsmehrheit zu blockieren, so lässt sich eher das Gegenteil beobachten: In der Regel stehen die Interessen der Länder vor denen der Parteien, sodass es auch immer wieder vorkommt, dass Mitglieder der Landesregierungen gegen die Positionen ihrer Parteikollegen auf Bundesebene stimmen. So führte beispielsweise der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, in der Debatte um den sogenannten „Bildungspakt“ im Frühjahr 2019 die Blockade der Bundesländer gegen das Gesetz im Bundesrat an – entgegen der massiven Zustimmung der Grünen im Bundestag. 

Der gemeinsame Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat

Können sich Bundestag und Bundesrat nicht auf ein gemeinsames Gesetz einigen, so besteht die Möglichkeit, den gemeinsamen Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieser besteht aus 32 Mitgliedern, entsendet jeweils zur Hälfte von Bundestag (hier aufgeteilt nach Stärke der Fraktionen) und Bundesrat (jeweils ein Vertreter jedes Bundeslandes). Im Vermittlungsausschuss existiert kein Zwang zur Einigung, auch eine Frist für eine abschließende Entscheidung besteht nicht. Da der Vermittlungsausschuss in der Regel nur für Sachfragen von großer Tragweite angerufen wird und unter enormer öffentlicher Aufmerksamkeit tagt, gehören die Sitzungen in diesem Gremium zu den anspruchsvollsten Verhandlungen, welche in der Gesetzgebung der Bundesrepublik überhaupt geführt werden.

Bundesrat – Seismograf für die politische Stimmung im Land

Obwohl die politische Stimmung der Bevölkerung auf Bundesebene im Regelfall nur alle vier Jahre mit der Wahl des Bundestages und damit der Bundesregierung erfasst wird, lässt sich ein „Zwischenstand“ zu jedem Zeitpunkt an der Zusammensetzung des Bundesrates ablesen. Natürlich spielen in Landtagswahlen, welche über die Zusammensetzung des Bundesrates entscheiden, zu einem hohen Anteil auch landesspezifische Themen und historische Parteihochburgen eine große Rolle, gleichzeitig werden diese Wahlen auch immer stark durch die bundespolitische Lage geprägt. So lässt sich der schwindende Rückhalt der „großen Koalition“ aus CDU/CSU und SPD auch darin erkennen, dass diese Konstellation in ihrer reinen Form nur noch über 16 der 69 Stimmen im Bundesrat verfügt. Auch an der oben bereits erwähnten Mannigfaltigkeit der verschiedenen Regierungskoalitionen im Bundestag lässt sich exemplarisch erkenn, dass die Zeit klarer Lagerbündnisse („rot-grün“ gegen „schwarz-gelb“) schon seit längerem vorüber ist und sich die Kräfteverhältnisse der Parteien in Deutschland stark verschoben haben.