Das Internet gibt es seit ungefähr 40 Jahren. Ursprünglich für militärische Zwecke gedacht, wurde es erst 1990 zur kommerziellen Nutzung freigegeben. Die Ausbreitung des Netzes und seine weltweite Nutzung durch einen großen Teil der Weltbevölkerung innerhalb weniger Jahre stellt eine (nicht nur) technische Revolution dar, deren Auswirkungen mit der des Buchdruckes vergleichbar sind. Heute hat sich das Internet zu einer Basisinfrastruktur des Zusammenlebens für immer mehr Menschen entwickelt. Längst sind es nicht mehr nur die jungen Menschen, die sich dieses neuen Leitmediums bedienen. Im Jahr 2015 nutzten alleine in Deutschland 56,1 Millionen Menschen ab 14 Jahren wenigstens gelegentlich das Internet, dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 79,5 Prozent. Damit ist die Reichweite des Internets inzwischen vergleichbar mit der des Fernsehens (www.ard-zdf-onlinestudie.de).

Wurde das Internet in seiner Anfangszeit überwiegend als „Lese-Netz“ im Sinne eines Lexikons genutzt, so hat sich das Netz etwa ab der Jahrtausendwende immer mehr zu einem Mitmach-Netz entwickelt. Hierfür entwickelte sich im Jahr 2003 der Begriff des Web 2.0. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen manifestieren sich in eindrucksvollen Zahlen: Zählte man 1996 noch ungefähr 250.000 Webseiten, so waren es 2006 schon circa 80 Millionen, 2016 sollen es bereits 1 Milliarde sein.
Bereits heute erkennen wir, dass das Internet Auswirkungen auf die politische Kultur hat. Früher wurde das Internet überwiegend zur Information genutzt, ähnlich einem Lexikon oder Branchenbuch. Heute dagegen gibt es die Tendenz zur (politischen) Aktion aus dem Netz heraus. Der Bürger hat nun nicht mehr nur die Möglichkeit, sich über das Internet zu informieren, er kann durch dieses Medium auch selbst auf gesellschaftliche und politische Prozesse einwirken. Diskussionen über politisch kontroverse Themen wie z.B. Stuttgart 21 oder die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke werden nicht länger nur im Parlament oder im Fernsehen geführt, sie verlagern sich immer stärker ins Internet. Das Netz fungiert als eine Art „neue Agora" (so der Präsident der BpB bei einer Tagung der Landeszentrale), es bietet einen Raum für politische Diskussionen, an denen sich jeder, der im Netz ist, beteiligen kann. Die Netzgemeinschaft sieht sich selbst gerne als eine Art „5. Macht im Staat“, die sich als kritischer Begleiter und Kontrolleur des Staates und der Medien grundsätzliche Fragen zur Funktionsweise der Demokratie stellt.

Das Internet dient als Diskussionsraum für Ideen aller Art. Durch das Netz kann aus einer Idee aber auch eine ganz konkrete Bewegung werden, die dazu führen kann, dass sich gleichgesinnte Menschen im "wirklichen Leben" zusammenschließen und für ihre gemeinsamen Interessen eintreten. Das Internet fungiert damit als Ort der Teilhabe. Inzwischen haben auch die öffentlichen Verwaltungen diese nützliche Funktion des Internets für sich entdeckt. Lange wurde es nur zur Veröffentlichung von Inhalten genutzt und diese Tendenz ist sicher auch noch bei vielen „offiziellen“ Websites bis heute vorherrschend. Allmählich lassen sich aber auch die öffentlichen Verwaltungen jenseits der etablierten Beteiligungsformen mehr und mehr auf eine Kommunikation mit ihren Nutzern ein (Stichworte: E-Governement). An vielen Stellen der Verwaltung wird heute bei der Lösung von Problemen über das Internet die Vielfalt unterschiedlicher Sichtweisen der Bürger als produktive Ressource in die Entscheidungsfindung einbezogen. Ein Beispiel sind die so genannten Bürgerhaushalte, die es in vielen deutschen Städten bereits gibt. Hier wirken Bürger bei der Aufstellung, Umsetzung und Ergebniskontrolle von öffentlichen Haushalten mit. Angesichts von knappen Ressourcen hat sich gezeigt, dass die Akzeptanz von schmerzhaften Sparentscheidungen größer ist, wenn die Bürger selbst in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Gute Erfahrungen hat man auch damit gemacht, die Bürger über Onlinekonsultationen an den Entscheidungen über umstrittene Bauvorhaben zu beteiligen, so z.B. in Hamburg bei der Bebauung des Domplatzes. Bei den Bürgern trifft diese neue Offenheit überwiegend auf positive Resonanz.

Aus der Sicht der politischen Bildung ist diese Tendenz zu mehr Teilhabe, gesellschaftlichem Engagement und Interesse an politischen Entscheidungen eine überaus positive Entwicklung. Die Demokratie lebt von der produktiven und engagierten Teilhabe ihrer Bürger an gesellschaftlichen Prozessen, von der Diskussion, dem Streit und der Auseinandersetzung und der gemeinsamen Suche nach den besten Lösungen. Auf der anderen Seite muss man aber auch konstatieren, dass mehr Teilhabe im Netz nicht automatisch gleichzusetzen ist mit mehr Demokratie, denn die Netzgemeinschaft ist längst nicht identisch mit der Gesamtheit aller Bürger (siehe Kapitel digitale Spaltung). Auch die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, schränkt die Bereitschaft von Regierungen und Verwaltungen zu mehr Transparenz und Öffnung erheblich ein, denn offene Daten sind zugleich auch immer bedrohte Daten.