Wieso kam es zur europäischen Einigung?
Im Jahr 2019 leben in der EU 512 Millionen Menschen in 28 Mitgliedsstaaten im größten Wirtschaftsraum der Welt in Frieden und Wohlstand zusammen. Es ist erst etwas über 70 Jahre her, da führten zahlreiche dieser Staaten einen unerbittlichen Krieg gegeneinander, der Millionen von Menschen das Leben kostete. Die Zeit danach war geprägt vom so genannten Kalten Krieg dessen „eiserner Vorhang“ ideologischer Gegensätze sich quer durch die heutigen Staaten der EU gezogen hatte. Wie konnte es vor den Hintergrund dieser Ausgangslage zur europäischen Einigung und damit zur EU kommen? Was hat die Staaten, die vormals durch „heiße“ und „kalte“ Kriege voneinander getrennt waren, dazu bewogen, sich zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass die europäische Einigung weder in der Vergangenheit noch heute aus uneigennützigen Motiven betrieben wird, sondern stets Ausdruck einer interessengeleiteten Politik der beteiligten Staaten ist. Dies bedeutet, dass die Integration stets nur in dem Maße vorangeschritten ist, in dem sich die beteiligten Staaten daraus einen Nutzen für ihre eigene Politik versprochen haben.
Folgende Motive für die europäische Einigung sind erkennbar: Eine der grundlegenden Erkenntnisse, die in den meisten Staaten aus den Schrecken des Zweiten Weltkrieges gezogen wurde, war, dass sich die Bedürfnisse der Menschen nach Frieden und Sicherheit nicht im Alleingang einzelner Staaten sondern nur in einer Gemeinschaft realisieren lassen würden. Die EU sollte somit eine Friedensgemeinschaft sein, die sich auf gemeinsame Werte stützen kann. Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit sind diese gemeinsamen Werte, die 1997 im Vertrag von Amsterdam zur Gründung der EU festgeschrieben wurden.
Von zentraler Bedeutung für die Mitgliedsstaaten sind auch die wirtschaftlichen Vorteile, die sie aus der Mitgliedschaft im größten Binnenmarkt weltweit und der gemeinsamen Währung ziehen können.
Zunehmend wächst bei den Nationalstaaten auch die Erkenntnis, dass sich das Phänomen der Globalisierung nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf politische Phänomene bezieht. Längst gibt es viele Probleme wie zum Beispiel den Klimawandel oder auch den internationalen Terrorismus, die sich nicht im nationalen Alleingang lösen lassen. Hier besitzt die EU als kollektiver Akteur weit größere außenpolitische Einflussmöglichkeiten als ein Einzelstaat.
Insgesamt zeigt sich, dass viele der Motive, die nach dem zweiten Weltkrieg zu den ersten Schritten der europäischen Einigung geführt haben, auch heute noch – wenn auch teilweise unter veränderten Vorzeichen – den Integrationsprozess vorantreiben.