Meinungsfreiheit gilt für alle

Fast die Hälfte der Ostdeutschen glaubt, nicht sagen zu dürfen, was sie denken. Laut einer heute vom MDR veröffentlichten Studie sehen insgesamt 46 Prozent der Ostdeutschen nur sehr wenig bis keine Verbesserung der Meinungsfreiheit nach dem Mauerfall.

Dieser Befund ist nicht überraschend. In Diskussionsveranstaltungen der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) wird der Vorwurf regelmäßig am offenen Mikrofon erhoben. Bereits im Mai veröffentlichte das Allensbach-Institut Befunde, wonach 58 Prozent der Deutschen mit Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit vorsichtig seien.

Dazu sagt Roland Löffler, Direktor der SLpB: „Die Meinungsfreiheit geht in Deutschland sehr weit. Tagtäglich kann jeder sagen, was er will, es erscheinen vielfältigste Tageszeitungen. 2018 gab es in Dresden 840 Demonstrationen, in Leipzig 547 (Quelle: rbb/Polizei und Ordnungsämter), es finden öffentliche Diskussionsveranstaltungen statt. Regelmäßig werden dabei die Grenzen der Möglichen ausgelotet. Demonstranten präsentieren beispielsweise für Politiker bestimmte Galgen oder skandieren menschenverachtende Parolen. In Internet beschimpfen und bedrohen Nutzerinnen und Nutzer Menschen anderer Ansichten. Die Meinungsfreiheit in Deutschland deckt sogar die rassistischen Äußerungen des AfD-Politikers Björn Höcke. Dieser muss im Gegenzug und gerichtlich bestätigt hinnehmen, von seinen politischen Gegnern als Faschist bezeichnet zu werden. Meinungsfreiheit gilt für alle.“

 Die vom mdr in Auftrag gegebene Studie lässt die Befragten einen Vergleich ziehen zum Leben in der DDR. In der DDR waren Repressalien gegen Andersdenkende schulischer, beruflicher und juristischer Alltag. Umso problematischer für das demokratische Verständnis erscheint heute die massive Diskrepanz von gefühlter Meinungsfreiheit einerseits und der verbrieften und gelebten Demonstrationsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder  Religionsfreiheit andererseits. „Wir müssen uns fragen, warum sachliche Kritik zu schnell als Zensur verstanden wird und wie wir das ändern können“, sagt Roland Löffler. „Meinungsfreiheit hat auch Grenzen. Das Recht auf freie Meinung ist kein Freibrief für Beleidigungen, Bedrohungen und Volksverhetzung. Sie bedeutet auch keinen Anspruch auf Zustimmung oder gar den Schutz vor Kritik. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung soll den Diskurs befördern und die widerstreitenden Interessen in unserer Gesellschaft öffentlich mit einander ringen lassen. Der freie Diskurs ist der Kern unserer Demokratie, entgegengesetzte Positionen gehören dazu.“ Immerhin 51 Prozent der Befragten haben das bereits erkannt.