Tunesien-Bildungsreise: Alles ist möglich - auch die Gefahr des Rückfalls!

Mit der Flucht des Staatsoberhauptes Ben Ali am 14. Januar 2011 öffneten sich in Tunesien die Türen in Richtung Demokratie. Dennoch ist der Weg zu Demokratie und Rechtsstaat beschwerlich. Henry Krause berichtet aus Tunesien.

Drei Jahre nach der Revolution - wo steht Tunesien?

Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Mohamed Haddad, Arabisches Observatorium der Religionen und Freiheiten:

Hier sein ist auch ein Zeichen der Solidarität und Humanität. Das berührt, denn der Erfolg hängt auch mit der Unterstützung zusammen.

Die Situation ist völlig anders als 2013 beim letzten Besuch. Zwei politische Morde, Tötung von Polizisten und Soldaten durch Terroristen. An der Grenze zu Algerien sind immer noch Terroristen verschanzt. Die tunesische Wirtschaft ist vor allem eine Dienstleistungswirtschaft. Durch die schwierige Sicherheitslage hat sich die wirtschaftliche Situation extrem verschlechtert.

2013 war ein schlechtes Jahr. Die schnelle Einigung auf die Verfassung hängt auch mit der schlechten wirtschaftlichen Lage zusammen. Die tunesische Öffentlichkeit hat Kritik geübt. Der öffentliche Druck auf die politischen Parteien hat zugenommen. Die Parteien in politischer Verantwortung sind nicht mehr so radikal. Die Ennahda und auch die Basis sind moderater geworden.

Die Situation in Ägypten hat sich für Tunesien positiv ausgewirkt. Alles ist offen, alles ist möglich - auch die Gefahr des Rückfalls! Verfassung wurde mit 200 von 216 Stimmen verabschiedet. Der Kompromissgeist hatte sich durchgesetzt. Es gab 5 Versionen der Verfassung mit großen Unterschieden. Jetzt liegt ein ausgewogener Kompromiss vor, auch was die Religion angeht.

Demokratisierung und Partizipation - die Rolle politischer Parteien

Vortrag und Gespräch mit Prof. Ridha Chennoufi, Tunis:

Politische Parteien existieren nicht im westeuropäischen Sinne. Die meisten Parteien haben sich vor der Revolution negativ konstituiert. Von 150 Parteien haben nur 12 Parteien die Stimmen der Wähler bekommen. Die Bevölkerung nimmt Parteien eher als eigensüchtig war - sie sind alle gleich und verfolgen eigene Interessen.

Das Ziel der Ennahda war von vornherein, die Regierungsmacht zu übernehmen. In der Ennahda gibt es Leute, die pragmatisch sind und andere, die Salafisten sind. Die Nidaa Tounes erkennt die Rolle der Religion für das Volk an. Sie ist weniger radikal. Bei einem Treffen zwischen den Parteiführern der Ennadha und Nidaa tounes vereinbarte man eine Technokratenregierung.

Wir müssen jede Minute in Tunesien wachsam bleiben!

Zum Umgang mit der Vergangenheit - Übergangsjustiz und nationale Versöhnung, Prof. Asma Gharbi, Kawakibi Center:

Wie werden die behandelt, die Opfer waren und die, welche Rechte verletzt haben? Welche Maßnahmen werden für die Opfer ergriffen?

Heute werden Menschenrechtsverletzungen aufgearbeitet. Das Gesetz definiert Täter und Opfer, auch Menschenrechtsverletzungen. Opfer können auch benachteiligte Regionen sein. Die Rehabilitierung Einzelner und Gruppen ist vorgesehen. Dabei ist wichtig, dass Korruption und fragwürdige Praktiken des alten Regimes überwunden werden.

Die Instanz für Wahrheit und Würde macht Vorschläge für Reformen und forscht nach den Ursachen von Menschenrechtsverletzungen. Die Instanz ist völlig unabhängig. Die Opfer können sich direkt an die Instanz wenden. Für die Entschädigung der Opfer wird ein Fonds gegründet. Es gibt auch eine Kommission zur Untersuchung des öffentlichen Dienstes.