Lasst uns streiten! Erste Erfahrungen mit dem Online-Dialog

Unter www.lasst-uns-streiten.de hat die Landeszentrale einen neuen Ort für den politischen Meinungsaustausch geschaffen. Mehrmals jährlich soll ein aktuelles, gesellschaftlich relevantes Thema aufgegriffen und mit vier Thesen zur Diskussion gestellt werden. Der erste Dialog stand unter dem Titel „Gesellschaftskrise: Flucht“ und lief vom 6. April bis zum 20. Mai 2016. Ein Erfahrungsbericht.

Vier Thesen zum Thema „Gesellschaftskrise: Flucht“ standen zur Debatte: „Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Sachsen." „So viele Flüchtlinge lassen sich nicht integrieren." „Aktuell zeigt sich: Deutschland ist eine Schönwetterdemokratie." und „Dank der Flüchtlinge politisieren sich die Sachsen."

Die Nutzer konnten sich zu diesen Thesen positionieren und ihre Position begründen. Anschließend wurden sie mit konträren Meinungen anderer Nutzer konfrontiert und aufgefordert, diese zu kommentieren. Ein Team von Moderatoren der SLpB betreute den Online-Dialog, um die Einhaltung der Dialogregeln sicherzustellen. Die Beteiligung am ersten Online-Dialogs der SLpB war mit circa 2.300 Beiträgen und Kommentaren und mehr als 18.000 Seitenaufrufen sehr rege. Dies lag sicherlich an der aktuellen Thematik und der Berichterstattung in Presse und sozialen Medien.

Zitate aus dem Online-Dialog: „Homogenität schadet einer Gesellschaft, da der Impuls zum Wandel fehlt …" „Eine homogene Gesellschaft bringt Stabilität und Ruhe, da sich die Gesellschaft auf die gleichen Werte beruft…" „Integration ist keine Pflichtleistung der Geflüchteten, sondern ein gemeinsamer Weg!"

 

Besonders lebhaft wurden die Thesen „Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Sachsen" diskutiert und mehrheitlich verneint. Ähnlich intensiv wurde „So viele Flüchtlinge lassen sich nicht integrieren" diskutiert. Mit insgesamt weniger Beiträgen, aber nicht minder kontrovers wurden die Thesen „Deutschland ist eine Schönwetterdemokratie" und „Dank der Flüchtlinge politisieren sich die Sachsen" diskutiert. Alle drei Thesen erhielten mehr Zustimmung als Ablehnung.

Ängste und Chancen

Der kulturelle Hintergrund geflüchteter Menschen sowie die lokale und nationale Kultur in Sachsen und Deutschland nahmen in der Diskussion breiten Raum ein. Die Standpunkte dazu waren sehr kontrovers und umfassten Aussagen, in denen hierarchische und qualitative Unterschiede zwischen Kulturen unterstellt und Überfremdungsängste geäußert wurden. Andere Beiträge beschrieben kulturelle Vielfalt als Bereicherung. Ein weiterer dominanter Aspekt war die Integration von Flüchtlingen. Diese Debatte war von verschiedenen Integrationsverständnissen, den Herausforderungen eines erfolgreichen Integrationsprozesses sowie humanitären und ethischen Werten geprägt. Dabei spielte das Themengebiet Diskriminierung und Rassismus in der deutschen Gesellschaft eine wichtige Rolle.

In der Diskussion um Arbeitsplätze stand die Meinung, dass es nicht genügend Arbeitsplätze in Sachsen gebe, der Ansicht gegenüber, dass Sachsen auf neue Arbeitskräfte angewiesen sei. Auch die Bildung, berufliche Qualifizierung und der Arbeitswille geflüchteter Menschen waren Diskussionsgegenstand. Die Frage nach den Kosten der Aufnahme geflüchteter Menschen, wurde sehr gegensätzlich diskutiert und bewertet. Zum einen wurden die wirtschaftlichen Chancen betont, zum anderen die finanziellen Ausgaben hervorgehoben.

Zitate aus dem Online-Dialog: „Übt jemand Kritik, ist er rechts und ein Rassist!" „Nein, Du bist nicht rechts und rassistisch, weil Du Kritik übst. Du übst Kritik, weil Du rechts und rassistisch bist." „Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten steht es bei uns nicht schlechter um die Demokratie. Dass grundsätzliche Kritik und Radikalisierung mit größeren politischen Herausforderungen zunehmen, ist normal." „Deutschland hat es verlernt zu streiten und Dissens zu ertragen. Es ist gut, dass daran gerüttelt wird"

 

Deutliche Kritik wurde am Agieren von Politikern geäußert. Vor allem wurde beklagt, Politiker hätten die Beziehung zu den Wählern verloren. Zusätzlich wurden konkrete Entscheidungen, zum Beispiel in Bezug auf die „Flüchtlingsfrage" kritisiert. Hierbei spielten Fragen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Asylpolitik eine große Rolle. Ein weiterer Diskussionsstrang drehte sich um die Debatten- und Streitkultur, die in Sachsen momentan herrscht, und die Frage, ob diese gut oder schlecht für die Demokratie und die politische Lage sei. Während einige Teilnehmende es als positiv beschrieben, dass so viele kontroverse Meinungen sich Gehör verschafften, kritisierten andere die Polemisierung in den Debatten. 

Bereicherndes Angebot

Kontroversität und Streitkultur war auch Thema unter den Teilnehmern: An manchen Stellen wurde fehlende Sachlichkeit in den Beiträgen bemängelt. Dies ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil insgesamt 257 Beiträge und Kommentare von der Moderation wegen Regelverstößen gesperrt werden mussten, um eine sachliche und konstruktive Diskussion zu gewährleisten.

Dennoch war das Echo auf diese erste Dialogphase sowohl unter den Teilnehmenden als auch in den Medien vor allem positiv: Die Plattform wurde als bereicherndes Format gesehen, das verschiedene Konfliktlinien aufzeige und einen Einblick in das gesellschaftliche Meinungsspektrum gebe. Durch den moderierten Dialog könnten sachlichere und produktivere Dialogräume geschaffen werden als dies in anderen digitalen Formaten möglich sei. Aus diesem Grund wollen wir auch weiter streiten: Ab dem 8. August 2016 auf lasst-uns-streiten.de zum Thema „Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus in Sachsen".